Ian Birchall

 

Arbeiterbewegung und Parteiherrschaft

 

Teil I. (1943-1953)

6. Westeuropa: Zurück auf den Straßen

Obwohl die große bewaffnete Konfrontation zwischen den beiden Machtblöcken in Asien stattfand, war das entscheidende Gebiet für den amerikanischen Imperialismus in dieser Periode nicht die unterentwickelte Welt, sondern Westeuropa. Die Schlüsselrolle in dieser Auseinandersetzung spielte, wie wir gesehen haben, die Marshall-Hilfe. Die Vereinigten Staaten förderten und unterstützten verschiedene Pläne für die politische und wirtschaftliche Einheit Westeuropas – und im Sommer 1949 wurde die Nordatlantische Bündnisorganisation (NATO North Atlantic Treaty Organisation) gegründet.

Diese neue Aggressivität seitens der USA zwang die sowjetischen Führer, zu reagieren. Eine ihrer Hauptwaffen war die Existenz großer KPs in Frankreich und Italien. Während der letzten drei Jahre hatte man den KP-Mitgliedern in diesen Ländern befohlen, stillzuhalten und den Parteiministern in der Regierung zu vertrauen. Aber die KPs konnte man nur mieten, nicht kaufen, und wenn man sie zu einer militanteren Haltung aufrief, waren sie dazu bereit.

Die Bedrohung durch die Vereinigten Staaten allein wäre ein hinreichender Grund für das gewesen, was man in vieler Hinsicht eine „Links“-Wendung der KPs in Westeuropa nennen kann. Aber es gab noch einen zweiten, ebenso triftigen Grund. 1947 sah sich Westeuropa einer schweren, wenn auch kurzen, ökonomischen Krise gegenüber. Die Inflation galoppierte; in Frankreich, zum Beispiel, gaben die Arbeiter 75 Prozent ihrer Löhne allein für Lebensmittel aus. Die angestaute Unzufriedenheit der vorangegangenen zwei oder drei Jahre konnte jeden Augenblick in einem Wutausbruch explodieren; und wenn die KPs ihren Platz in der Arbeiterbewegung behalten wollten, konnten sie es sich nicht leisten, die Führung in diesem Ausbruch zu verlieren. und sich, wie befristet auch immer, links überholen zu lassen. Das gesamte Auftreten der Bewegung änderte sich schlagartig; es steigerte sich zu einer unaufhaltsamen Welle von Aktivismus und Mobilisierung.

 

Frankreich

In Frankreich war die erste Erschütterung des nahenden Erdbebens in der Autofabrik Renault in Paris zu spüren. Renault war 1945 verstaatlicht worden, und die Regierung beabsichtigte, sie als „Schlüssel“-Fabrik zu benutzen, um ihre Wirtschaftspolitik zu diktieren. Aber diese Strategie erwies sich als ein Bumerang, denn am 25. April 1947 begannen 1.500 Arbeiter in zwei Abteilungen zu streiken und forderten eine Lohnerhöhung von 10 Francs die Stunde. Da die KP bzw. die von der KP kontrollierte CGT keinerlei Militanz zeigte, übernahmen die Trotzkisten der Union Communiste die politische Führung.

KP und CGT versuchten sofort, den Streik, den sie als „Provokation“ denunzierten, zu isolieren und zu brechen. Der CGT-Sekretär Plaisance erzählte Arbeitern aus anderen Abteilungen, eine Bande von „gaullistisch-trotzkistischen Anarchisten“ plane, die Fabrik in die Luft zu jagen. Delegierte, die mit der Bitte um Unterstützung zu anderen Fabriken geschickt wurden, wurden von KP-Schlägern angegriffen. Aber der Streik breitete sich bei Renault rasch aus. [1]

Trotz der extremen Schwäche der revolutionären Linken war ein solcher Ausbruch von Militanz eine ernste Bedrohung für die Herrschaft der KP über die Arbeiterklasse. Am 30. April berichtete Thorez dem Kabinett, daß die KP nicht länger die Lohn- und Preispolitik der Regierung unterstützen könne. Ramadier, der sozialistische Premierminister – aus Washington unter Druck gesetzt, die KP-Minister loszuwerden – ergriff die Gelegenheit mit beiden Händen. Nachdem er die Sicherheitskräfte in Paris verstärkt hatte, arrangierte er ein Vertrauensvotum für seine Wirtschaftspolitik. Am 4. Mai stimmten die 183 kommunistischen Abgeordneten gegen die Regierung, und am folgenden Tag wurden Thorez, Billoux, Croizat und Tillon aus dem Kabinett entfernt.

Die scharfe politische Wende, die folgte, war der KP eher aufgezwungen als sorgfältig von ihr einkalkuliert worden; ihre Strategie war eher verwirrt. Den ganzen Sommer über sprach Thorez von der Notwendigkeit des Bündnisses mit den Sozialisten und der Rückkehr in die Regierung; André Barjonet (ein führendes Mitglied der CGT, 1968 ausgetreten) berichtet, er habe 1947 Jacques Duclos in einer Versammlung von Parteimitgliedern sagen hören, eine Serie von Streiks würde genügen, um die KP in die Regierung zurückzubringen.) [2] Aber mit der Gründung des Kominform im Oktober wurde Druck auf die KP-Führer ausgeübt, völlig mit den Sozialisten zu brechen und alle Regierungsbestrebungen aufzugeben.

Während der nächsten achtzehn Monate überflutete eine Welle von Streiks das Land; fast jede Industrie und jeder Wirtschaftszweig war irgendwann davon betroffen. Die Regierung übertrieb stark, wenn sie diesen Zornausbruch der Arbeiterklasse weitgehend als das Werk einer kommunistisch manipulierten Verschwörung darstellte. Dennoch steht fest, daß kommunistische Militante großen Mut und Hingabe bewiesen und in jedem Kampf die Führung übernahmen.

Die Streiks gingen weit über rein ökonomische Forderungen hinaus und erreichten zeitweilig die Ausmaße eines Aufstands. Im Dezember führte eine Demonstration in Marseille gegen Straßenbahn-Preiserhöhungen zu Verhaftungen; protestierende Massen stürmten die Stadthalle und das Gerichtsgebäude, und ein Demonstrant wurde getötet; ein Generalstreik in der Stadt und ein nationaler Eisenbahnerstreik folgten. Im Bergarbeiterstreik Ende 1947 machten mobile Streikposten im ganzen bestreikten Gebiet die Runde und kontrollierten an einigen Orten den Straßenverkehr.

Zu dieser Zeit hatte die CGT ungefähr fünfeinhalb Millionen Mitglieder; ihr einziger Konkurrent, die katholische CFTC, hatte weniger als eine Million Mitglieder. Als die KP in der Regierung war, hatte die CGT-Führung die Forderungen heruntergespielt, jetzt aber gab sie der Streikwelle ihre volle Unterstützung. Die Regierung mußte, mit Rückendeckung der USA, diese Aktion brechen.

Eine Zeitlang hatte eine antikommunistische Tendenz in der CGT unter dem Namen Force Ouvrière (Arbeitermacht) existiert. Ende 1947 brach diese mit der CGT und baute eine Konkurrenzgewerkschaft auf. Die neue Gewerkschaft, die FO, erhielt eine gewisse Glaubwürdigkeit durch die Unterstützung, die ihr einige antikommunistische Linksradikale wie der Altsyndikalist und frühere Freund Trotzkis, Pierre Monatte, gaben. Aber im Grunde war die Force Ouvrière ein Geschöpf der Vereinigten Staaten. Einige Jahre später sollte Georg Meany, ein Führer des amerikanischen Gewerkschaftsbundes (AFL) in einer Rede sagen: „Ich bin stolz, Euch sagen zu können – denn wir können dies jetzt aufdecken – daß wir dank des Geldes amerikanischer Arbeiter, der Arbeiter von Detroit und anderswo, in der Lage waren, eine für uns wichtige Spaltung in der französischen CGT herbeizuführen, indem wir den Gewerkschaftsbund Force Ouvrière schufen“ [3] und 1967 enthüllte Thomas Braden, ein ehemaliger CIA-Mann, daß Hilfsgelder von zwei Millionen Dollar jährlich an die antikommunistischen Gewerkschaften in Frankreich und Italien gezahlt worden waren.

Das Manöver hatte Erfolg. Die Stärke der CGT schmolz rapide; die Mitgliederzahl der CGT fiel von über fünf Millionen im Jahr 1947 auf weniger als zwei Millionen in der Mitte der fünfziger Jahre. Nicht daß die Ausgetretenen nun zur FO gingen, die wahrscheinlich nie die Millionengrenze überschritt. Millionen von Arbeitern gaben – durch die Uneinigkeit und die entnervende Erfahrung wiederholter erfolgloser Streiks desillusioniert, den Gewerkschaftskampf ganz auf.

Jeder Angriff der KP gegen die schädliche staatliche Unterdrückung und die grobe Einmischung der Vereinigten Staaten war voll gerechtfertigt. Aber die KP trug selbst einen großen Teil der Schuld für den Schaden, der der französischen Arbeiterbewegung in dieser Zeit zugefügt wurde. Drei Jahre lang hatte sie die Arbeiter gedrängt, passiv zu bleiben, obwohl ihr Lebensstandard beschnitten wurde. Sie unternahm keinen Versuch, die Arbeiter politisch auf einen Linienwechsel vorzubereiten. Dann wurden die Militanten plötzlich in die Aktion gegen Polizeiknüppel und Kugeln getrieben. Wieder einmal wurde keine politische Erklärung dafür gegeben. Was war das Ziel der Aktion? Bestand es darin, den Lebensstandard der Arbeiter zu verteidigen und zu heben? Druck auszuüben für eine Rückkehr der KP in die Regierung? Oder die französische Wirtschaft zu unterminieren und dadurch das politische und ökonomische Eindringen Amerikas nach Europa zu behindern? Die KP-Führung, so schien es, wußte das oft selber nicht und am wenigsten wußten es die einfachen Mitglieder. Die politische Manipulation und der unvermittelte Zickzack-Kurs dieser Zeit hinterließ in der französischen Arbeiterklasse eine Narbe, die fast zwanzig Jahre brauchte, um zu verheilen.

Es wäre jedoch falsch, den Einflußschwund der CGT überzubewerten. Wenn auch Force Ouvrière und die CFTC einige Gewinne unter den Angestellten und den öffentlichen Bediensteten verbuchten, so behielt die CGT doch die Vorherrschaft unter den Metall- und Chemiearbeitern, in der Stahlindustrie und in den Autofabriken von Renault, bei den Eisenbahnern und in den Kohlegruben. Die Politik industrieller Militanz wurde bis in die Mitte der fünfziger Jahre beibehalten. Aber immer mehr Streiks endeten mit Niederlagen, wie der große Michelin-Streik von 1950. Den allgemeinen Rückschlag für die Arbeiter während der nächsten Jahre verdeutlicht die Tabelle der durch Streiks verlorenen Arbeitstage:

1947:

22.600.000

1948:

13.100.000

1949:

  7.100.000

1950:

11.700.000

1951:

  3.400.000

1952:

  1.400.000

Im allgemeinen legte die KP das Schwergewicht in dieser Periode mehr auf „politische“ als auf „ökonomische“ Aktivitäten, womit sie ihre Tendenz unterstrich, die wirklichen Sorgen und Probleme der Arbeiter links liegen zu lassen. Jetzt räumte sie dem Krieg in Indochina, der früher heruntergespielt worden war, in ihrer Agitation einen Vorzugsplatz ein. 1949 und 1950 wurde eine Reihe wichtiger Aktionen gegen den Krieg durchgeführt. Die Hafenarbeiter in verschiedenen Städten weigerten sich, Kriegsgüter für Indochina zu verladen, und in Nizza warfen demonstrierende Arbeiter eine V2-Abschußrampe ins Meer. Ein junger Matrose, Henri Martin, wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Flugblätter gegen den Krieg unter dem Marinepersonal verteilt hatte, und eine Militante namens Raymonde Dien stoppte einen Zug mit Waffen für lndochina, indem sie sich auf die Eisenbahngleise legte.

Solche politischen Aktionen bedeuteten eine ständig Konfrontation der Partei mit dem Staat und verschärften die Repression, während die extreme Rechte die Forderung nach einem Verbot der Partei erhob. Der heftigste Zusammenstoß erfolgte im Mai 1952. André Stil, der Herausgeber von L’Humanité, wurde nach dem Verbot einer Demonstration gegen den amerikanischen General Ridgeway, der Eisenhowers Nachfolger als Oberkommendierender der NATO in Paris werden sollte, verhaftet. Die Demonstration fand, trotz des Verbots, drei Tage später statt.

Im Verlauf dieser Demonstration wurde Jacques Duclos, der amtierende Generalsekretär der Partei, festgenommen; in seinem Wagen fand man zwei tote Tauben. In der Atmosphäre der Hexenjagd wurde angedeutet, diese seien dazu bestimmt, Nachrichten nach Moskau zu bringen. Aber angesichts der Rufe nach Generalstreik machte die Regierung einen Rückzieher. Duclos wurde freigelassen, nachdem seine Tauben als eßbar eingestuft worden waren, und zwar von einer Sonderkommission, die aus einem Professor für Naturgeschichte, einem Experten für militärische Nachrichtenübermittiung und dem Präsidenten des nationalen Taubenzüchterverbandes bestand.

Zur selben Zeit wurden alle Anstrengungen unternommen, die KP parlamentarisch zu isolieren. Die Verfassung wurde gebeugt, zum Beispiel 1948, als die gesetzlichen Bestimmungen über den Alterspräsidenten geändert wurden, um der Gefahr zu entgehen, daß Jacques Duclos geschäftsführender Premierminister wurde. Für die Wahlen von 1951 wurde eine Wahl„reform“ eingeführt, die das System der proportionalen Repräsentation modifizierte, indem sie Bündnisse zwischen den Parteien zuließ und so der KP, die keine Bündnisse mit irgendeiner Gruppe hatte, einen gewaltigen Nachteil brachte. Ihre parlamentarische Stärke fiel von 177 auf 103 Sitze, obwohl sie nur weniger als eine halbe Million Stimmen verloren hatte.

In dieser Periode war das parlamentarische Verhalten der KP jedoch sehr verschieden von ihrem späteren Bemühen um Ansehen. In einer Debatte über den Indochinakrieg im März 1950 sprach ein KP-Abgeordneter fünfeinhalb Stunden lang über einen Zusatzantrag zu einem Gesetz gegen Sabotage, indem er detaillierte sowjetische Preisstatistiken zitierte; dann brach ein Tumult los und Wachen mußten das Haus räumen. Bei einer anderen Gelegenheit rief ein rechtsradikaler Abgeordneter André Marty, einem Veteranen der Schwarzmeer-Meutereien, „Meuterer“ zu (frz. le mutin); KP-Delegierte glaubten, er hätte die Frau von Maurice Thorez eine Hure (frz. la putain) genannt, und wieder begann eine Schlägerei.

Jede revolutionäre Partei wird Perioden der staatlichen Unterdrückung und der Demoralisierung auf seiten der Arbeiterklasse durchmachen. Ihre Aufgabe ist nicht, nach schnellen Erfolgen zu trachten, sondern geduldig ihre Politik zu erklären und zu propagieren. Die KP jedoch, besorgt darum, sowohl ihre Popularität zurückzugewinnen als auch dem sowjetischen Ziel der Unterminierung der Atlantischen Allianz dienlich zu sein, zog es vor, dem Nationalismus in ihrer Propaganda gewaltige Zugeständnisse zu machen. So wurde der Krieg in Vietnam als „ungerechter, den französischen nationalen Interessen zuwiderlaufender Krieg, ein kolonialer Eroberungskrieg zum Nutzen des amerikanischen Imperialismus“ beschrieben. [4] Während der Kampagne gegen die deutsche Wiederbewaffnung war der Versuch, antideutsche Gefühle hochzupeitschen, von einer unkritischen Haltung gegenüber den Gaullisten begleitet, die sich, aus der extrem rechten Ecke, ebenfalls gegen die deutsche Wiederbewaffnung stellten.

Mit diesem Opportunismus ging eine wachsende Bürokratisierung der Partei einher. Ein Miniatur„personenkult“ wurde um den Führer, Maurice Thorez, aufgebaut, dessen fünfzigster Geburtstag 1950 mit einer nationalen Ausstellung gefeiert wurde, auf der ihm Gedichte und Portraits gewidmet wurden. Und als Thorez im Laufe desselben Jahres erkrankte und in die Sowjetunion ging, von wo er erst nach Stalins Tod 1953 zurückkehrte, wurde beschlossen, während seiner Abwesenheit keinen Parteitag abzuhalten. Weiter unten in der Hierarchie verfiel das innere Parteileben noch mehr, und zwar u.a. durch eine Satzungsänderung, die es erlaubte, den Mitgliedern ihre Mitgliedsausweise zuzustellen, so daß sie keiner Ortsgruppenversammlung beiwohnen mußten. Es war das Bild eines langsamen, aber unerbittlichen Verfalls. Die Mitgliederzahl sank von Über achthunderttausend 1947 auf knapp über fünfhunderttausend 1954; eine Überalterung der Mitgliedschaft trat ein, da man bei der Jugend wenig Erfolge hatte, und die Zahl der Betriebszelten sank von achttausend 1946 auf fünftausend 1954. Die Fähigkeit der Partei zur politischen Mobilisierung ohne entsprechende Vorbereitung nahm ebenfalls ab. Sie setzte damit ihre Arbeiter unnötiger Verfolgung aus.

 

Italien

In Italien war das Bild – Ausschluß der KP-Minister, Linkswendung, staatliche Unterdrückung – im Prinzip das gleiche. Aber es gab einen entscheidenden Unterschied, der verantwortlich war für die bedeutende Rolle, die die italienische Partei in den fünfziger und sechziger Jahren in der internationalen Bewegung spielen sollte: das Fortbestehen eines funktionierenden Bündnisses zwischen der KP und der Sozialistischen Partei (PSI). Das bedeutete einerseits, daß die KP im parlamentarischen und gewerkschaftlichen Leben nicht so wirkungsvoll isoliert werden konnte wie in Frankreich; andererseits, daß ihre Führung flexibler sein mußte und daß die Mitglieder Kontakt mit Militanten von außerhalb der Partei hatten.

Eine Absplitterung von der Sozialistischen Partei unter der Führung von Saragat hatte schon im Januar 1947 stattgefunden, kurz nach seiner Rückkehr von einer Reise in die Vereinigten Staaten. Aber das Gros der Mitglieder und Wähler der PSI blieb der Nenni-Führung treu. Obwohl es eine ständige Fraktionsdebatte innerhalb der PSI darüber gab, wie weit das Bündnis mit der KP gehen sollte, blieben die Beziehungen bis zum Tod Stalins 1953 sehr eng. Tatsächlich wurde Nenni auf Stalins Begräbnis mit einer Hochachtung behandelt, die keinem anderen nichtkommunistischen Führer zuteil wurde.

In den Wahlen vom März 1948 präsentierten KP und PSI eine gemeinsame Kandidatenliste. 1946 hatten die beiden Parteien zusammen fast 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt, und trotz Saragats Abfall glaubten gutinformierte Beobachter, daß die gemeinsame Liste gute Siegeschancen habe. Eine ganze Maschinerie von Drohungen und Lügen wurde jetzt in Gang gesetzt, wie ein zeitgenössischer Bericht zeigt:

Präsident Truman machte Italien ein dringend benötigtes Geschenk von 29 Handelsschiffen; Gold, das die Nazis Italien gestohlen hatten, wurde zurückgegeben; die ersten Schiffsladungen der Marshall-Hilfe kamen an und wurden mit großem Zeremonien, begleitet von einer Rede des amerikanischen Botschafters, gelöscht; das US-Außenministerium drohte damit, Italienern, von denen man wußte, daß sie kommunistisch gewählt hatten, die Erfüllung des Traums aller Italiener zu verwehren: die Auswanderung nach Amerika. Das Kriegsministerium kündigte an, daß die amerikanischen Marineverbände im Mittelmeerraum verstärkt würden; die amerikanischen Besatzungstruppen in Triest hielten ihre erste Militärparade in voller Uniform seit dem Krieg ab, mit Panzern und großen Geschützen; amerikanische und britische Kriegsschiffe ankerten während des Wahlkampfes vor italienischen Häfen. [5]

Die katholische Kirche gab dem Unternehmen Schützenhilfe, indem sie drohte, jedem die Absolution zu verweigern, der für die kommunistisch-sozialistische Liste stimmte – eine Drohung, die vor allem bei Arbeiterfrauen ihre Wirkung nicht verfehlte. Angesichts dieser Offensive erlitten die linken Kräfte eine schwere Niederlage und erhielten nur 31 Prozent der Stimmen.

Während des vorangegangenen Winters hatte die KP schon aktiv den Aufbau von außerparlamentarischen Massenorganisationen betrieben, sowohl in den Fabriken wie unter den Bauern im Süden. Aber erst das mißglückte Attentat gegen Togliatti im Juni 1948 brachte den wirklichen Umschlag von parlamentarischer Politik zum Massenkampf auf den Straßen. Die CGIL, der vereinigte Gewerkschaftsverband, rief einen dreitägigen Generalstreik aus, der an einigen Orten das Ausmaß eines Aufstandes annahm.

In dieser Situation versuchten die rechten Gewerkschaftsführer, unterstützt und aufgestachelt von der herrschenden Klasse und den Vereinigten Staaten, die kommunistische Herrschaft über die CGIL zu brechen.

Einer christdemokratischen Abspaltung im Oktober 1948 folgte eine republikanische und sozialdemokratische (Saragat) im Mai 1949. Die zweite Gruppe spaltete sich nochmals, und ein Teil vereinigte sich mit den Christdemokraten. 1950 hatte Italien drei Gewerkschaften: Die CGIL (in der Sozialisten und Kommunisten immer noch zusammenarbeiteten), die CISL (christdemokratisch) und die UIL (sozialdemokratisch und republikanisch).

Amerikanischer Rat – amerikanisches Geld – waren wieder sehr offensichtlich mit im Spiel, ebenso Geld von der wichtigsten Regierungspartei, den Christdemokraten, die ihrerseits von der Privatindustrie finanziert wurden. Die Unternehmer nutzten die Spaltung eifrig aus. Die Autofirma Fiat weigerte sich zum Beispiel, mit der CGIL zu verhandeln, kooperierte aber ausgezeichnet mit den anderen Gewerkschaften. Die CISL war verpflichtet, die christdemokratischen Parlamentskandidaten zu unterstützen, einschließlich derjenigen der äußersten Rechten, die das Gewerkschaftsprinzip selbst bekämpften. 1952 schrieb der Führer der CISL, Pastore:

Die Arbeiter in Italien müssen ihre Forderungen nach Lohnerhöhungen in ihrem eigenen Interesse innerhalb der Grenzen halten, die der Produktivitätszuwachs setzt.. [6]

Aber die KP hatte die CGIL, den stärksten der Gewerkschaftsverbände weiter fest im Griff, die Verzahnung zwischen KP- und CGIL-Führung war eng. So war die CGIL in der Lage, eine ganze Serie von politischen Streiks in Gang zu setzen – zum Beispiel gegen die Unterzeichnung des Atlantischen Vertrages und 1953 sogar gegen eine Wahlrechtsänderung, die die Vertretung der KP in der Nationalversammlung geschmälert hätte. Von Zeit zu Zeit weigerten sich die italienischen Hafenarbeiter amerikanische Waffen auszuladen.

Weil sie die Isolation vermieden hatte, in die die französische KP in den frühen fünfziger Jahren gezwungen worden war, konnte die italienische KP weiter wachsen und erreichte 1953 den Höhepunkt ihrer Nachkriegsstärke. Obwohl sie bei der Jugend an Boden verloren hatte, zählte sie zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Millionen Mitglieder, hatte 11.550 Betriebszellen und einen Stimmenanteil von 22,5 Prozent, der ihr 143 von 590 Sitzen brachte. Am schnellsten wuchs sie nicht im industrialisierten Norden, sondern bei den Bauern im Süden. In den Wahlkreisen des Südens stieg ihr Stimmenanteil von 11,63 Prozent 1946 auf 21,75 Prozent 1953.

Gerade weil die italienische KP weniger isoliert war, war sie dem Druck anderer politischer Kräfte stärker ausgesetzt und bereiter, zu manövrieren, um Bündnisse herzustellen. Togliatti selbst erklärte auf dem siebten Parteitag 1951, daß er in der Tat willens war, Klassenforderungen aufzugeben zugunsten außenpolitischer Vorteile:

Auf der Konferenz des kommunistischen Bundes Mailand habe ich für unsere Parteiführung erklärt, daß wir, die stärkste Partei, die in Opposition zur gegenwärtigen Regierung der italienischen Bourgeoisie steht, im Bewußtsein des Ernstes und der Dringlichkeit der Aufgabe, den Frieden für das italienische Volk zu sichern, bereit sind, unsere Opposition sowohl im Parlament wie im Land einzustellen zugunsten einer Regierung, die Italiens Außenpolitik radikal ändert, d.h. Italien von Verpflichtungen befreit, die unausweichlich in den Krieg treiben werden, und die unser Heimatland davor bewahrt in den Strudel eines neuen bewaffneten Konflikts gerissen zu werden. [7]

Eine derartige Trennung des Kampfes für den Frieden vom Kampf gegen den Kapitalismus ist aber unrealistisch und bedeutet einen vollständigen Bruch mit der leninistischen Tradition.

 

Die Spaltung im Weltgewerkschaftsbund

Frankreich und Italien waren die Schlüsselländer in Westeuropa, in denen der Klassenkampf in die Kanäle des Kalten Krieges umgelenkt wurde. Aber die Auswirkungen dieser Kämpfe waren noch in großer Entfernung zu spüren. Im Gefolge der Spaltungen der französischen und italienischen Gewerkschaften beschlossen die Führer der britischen TUC (Trade Union Council) und des amerikanischen CIO (Commitee for Industrial Organisation), den Weltgewerkschaftsbund (WGB) zu spalten, der am Ende des Zweiten Weltkrieges errichtet worden war. Im Januar 1949 verließen die britischen, holländischen und US-Delegierten den WGB und schon im Dezember desselben Jahres war es ihnen gelungen, einen internationalen Konkurrenzverband zu etablieren, den IBFG (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften). Von nun an gab es zwei Weltbünde – oder drei, wenn man den 1920 gegründeten christlichen Bund mitzählt.

In mancher Beziehung sah dies wie eine Rückkehr zur Situation der 20er Jahre aus, als die revolutionäre Rote Gewerkschafts-Internationale dem reformistischen Internationalen Gewerkschaftsbund gegenüberstand. Aber obgleich der WGB vielleicht einiges Prestige gewann, weil er scheinbar in der Tradition der RGI stand, verfolgte er doch nicht dieselbe Art von Politik. Sein Hauptziel war nicht, revolutionäre Strömungen in der Arbeiterbewegung aufzubauen, sondern die Gewerkschaften, die unter seiner Kontrolle standen, dazu zu benutzen, die sowjetischen Interessen auf internationaler Ebene zu fördern. Berge von Resolutionen und Deklarationen wurden produziert. Politik betrachtete man nicht als etwas, das sich im Arbeitskampf entwickelt, sondern als etwas, das man bürokratisch von außen einführen kann. Das Ergebnis war, daß die Gewerkschaften in jedem Land zu Schlachtfeldern des Kalten Krieges wurden, was verheerende Folgen für das Bewußtsein und Vertrauen der Masse der einfachen Mitglieder hatte. Wenn auch die Hauptschurken, die für die Spaltung der Gewerkschaften verantwortlich waren, in Washington saßen, so ist die Strategie des Kominform doch weitgehend mitverantwortlich dafür.

 

Griechenland

In Griechenland, wo die KP den bewaffneten Kampf Anfang 1945 abgeblasen hatte, konnte der Waffenstillstand nicht lange dauern. Denn ganz gleich, wie die demokratische Fassade aussah: die wirkliche Macht lag in Händen der extremen Rechten im Polizei- und Staatsdienst. Die Wahlen im März 1946 waren so offensichtlich manipuliert, daß sich die KP weigerte, daran teilzunehmen. Kurz darauf brach der Bürgerkrieg wieder aus. Zunächst verließ sich die Regierung auf britische Hilfe, aber 1947 mußten die Vereinigten Staaten die militärische und finanzielle Hauptlast übernehmen.

Die KP war jetzt viel isolierter als im vorangegangenen Krieg. Die kleineren Parteien der Mittelklasse, die früher an ihrer Seite gekämpft hatten, ließen sie jetzt im Stich. Dies ist teilweise durch die veränderte soziale Situation zu erklären, zum Teil aber auch durch den politischen Zickzackkurs der KP während des vorigen Krieges. Constantin Tsoucalas hat darüber geschrieben:

Sechs Jahre ununterbrochenen Kampfes waren für die Mehrheit des Volkes genug. Die Strategie der nationalen Front, die die EAM während der Besetzung verfolgte, hatte wenig dazu beigetragen, die Bauern ideologisch auf die Errichtung eines kommunistischen Regimes vorzubereiten. Darüber hinaus waren die Mittelklassen, die die EAM während der Besetzung hauptsächlich unterstützt hatten, ganz entschieden gegen einen neuen Krieg. Während man die ökonomische Situation kaum als normalisiert betrachten konnte, war wirtschaftliche Stabilität die erste und dringendste Forderung der Mittelklassen, und jede Drohung einer fortgesetzten Umwälzung war absolut gegen ihre Interessen und Wünsche. [8]

Kurz gesagt: aus objektiven Gründen war eine Volksfront nicht länger möglich – und doch war die KP für einen Kampf um die Macht weder vorbereitet noch dazu willens. Darüber hinaus hatte die polizeiliche Unterdrückung die kommunistischen Organisationen in den großen Städten zerschlagen, so daß sich die Partei kaum auf Unterstützung aus der Arbeiterklasse verlassen konnte, sondern ihre Strategie auf ländliche Guerillakriegsführung gründen mußte. Trotzdem kämpften die Partisanen weiter, und von Zeit zu Zeit kam ihnen die Verbrüderung von Seiten griechischer Armeetruppen zur Hilfe.

Für Stalin war klar, daß der Bürgerkrieg beendet werden mußte. Er war schon über die Unabhängigkeitstendenzen besorgt, die Titos Jugoslawien zeigte, und ein weiteres, durch Massenkämpfe etabliertes kommunistisches Regime an Jugoslawiens Südgrenze, hätte unkalkulierbare Probleme verursachen können. Darüber hinaus wollte Stalin keine direkte Konfrontation mit den Vereinigten Staaten, die weitaus gefährlicher gewesen wäre als der Krieg in Korea.

Im Januar 1948 traf sich Stalin mit den jugoslawischen Führern Djilas und Kardelj:

Stalin wandte sich dann dem Aufstand in Griechenland zu: „Der Aufstand wird aufgegeben müssen.“ – „Glauben Sie“ – wandte er sich an Kardelj – „an den Erfolg der griechischen Erhebung?“

Kardelj erwiderte: „Wenn die ausländische Intervention nicht zunimmt und keine schweren politischen und militärischen Fehler gemacht werden.“ Stalin fuhr fort, ohne Kardeljs Meinung zu beachten: „Wenn, wenn! Nein, sie haben keinerlei Aussicht auf Erfolg. Was? Glauben Sie etwa, daß Großbritannien und die Vereinigten Staaten – die Vereinigten Staaten, der mächtigste Staat der Welt – zulassen werden, daß ihre Verbindungslinie zum Mittelmeer unterbrochen wird? Unsinn. Und wir haben keine Marine. Der Aufstand in Griechenland muß gestoppt werden, und zwar so schnell wie möglich.“ [9]

Der Bruch zwischen Stalin und Tito zerbrach die griechische KP. Aus geographischen Gründen war Jugoslawien die wichtigste Nachschubquelle für die Partisanen, die oft Zuflucht jenseits der Grenze suchten. Aber ihre Loyalität zum Stalinismus war so groß, daß sich die KP-Führung auf die Seite der Sowjetunion schlug und Tito sogar beschuldigte, griechischen Regierungstruppen Unterschlupf zu gewähren. Eine Zeitlang setzte Jugoslawien seine Hilfe fort, schränkte sie dann aber drastisch ein. Im Juli 1949, als die griechisch-jugoslawische Grenze geschlossen wurde, waren die Partisanen bereits geschlagen und die Überlebenden suchten Zuflucht in Albanien, wo die Regierung Hodscha sie internierte, um keinen Zusammenstoß mit Griechenland zu riskieren. Im Oktober erklärte die KP den Krieg für beendet. Diese Entwicklung war ein deutlicher Beweis dafür, daß eine KP, die sich völlig auf die Sowjetunion verließ, am Ende nicht einmal mehr im Stande war, wirksam für ihre Selbstverteidigung zu kämpfen.

Nun begann eine dunkle Zeit für die griechische Arbeiterklasse. Konzentrationslager wurden errichtet und viele, die überlebt hatten, wurden hingerichtet. Die Regierung nahm die Gewerkschaftsbewegung hart in den Griff, und die griechische Arbeiterklasse wurde bald eine der ärmsten Europas.

 

Großbritannien

In etlichen europäischen Ländern spielten die Kommunistischen Parteien eine bedeutende, wenn nicht die entscheidende Rolle im Klassenkampf. In Großbritannien waren die Ereignisse weniger tragisch und die Rolle der KP weniger entscheidend. Die Partei verlor 1950 ihre beiden einzigen Parlamentsabgeordneten und blieb am Rand des politischen Lebens. In bestimmten Gewerkschaften behielt sie jedoch ihren Einfluß und ihre Stärke.

Der Linkswende von 1947 folgte wenig später eine Politik scharfer Einkommensbeschränkungen durch die Labour-Regierung. Die Partei mußte ihre Haltung der zumindest teilweisen Unterstützung der Arbeitshetze radikal überdenken. Aber die Partei hatte wenig getan, um die Arbeiter auf die arbeiterfeindlichen Maßnahmen vorzubereiten, die in den letzten Jahren der Labour-Herrschaft ergriffen werden sollten, wofür das groteske Schauspiel einer Labour-Regierung, die 1949 alle Maidemonstrationen verbot, ein typisches Beispiel war. Es gab auch ein Einstellungsverbot für Kommunisten (und Faschisten) und deren Verbündete hinsichtlich der Stellen im Staatsdienst, die mit einem angeblichen Sicherheitsrisiko verbunden waren.

Der Hauptangriff erfolgte dort, wo die KP über einige Stärke verfügte: in der Industrie. Im November 1948 gab der Generalrat des TUC ein Dokument heraus mit dem Titel Verteidigt die Demokratie, in dem er die Gewerkschaften drängte, Kommunisten von allen Gewerkschaftsposten und jeder Tätigkeit als Gewerkschaftsdelegierte auszuschließen. Der Vorschlag gewann in der Transport- und allgemeinen Arbeitergewerkschaft eine Mehrheit. Sie stimmte 1949 dafür, die Kommunisten von allen Ämtern auszuschließen. Neun Vollzeit-Offizielle wurden entlassen, einschließlich Bert Papworth, dem einzigen Kommunisten im Generalrat des TUC, der dadurch seinen Sitz verlor. Obwohl ein ähnliches Vorgehen in drei anderen Gewerkschaften keinen völligen Ausschluß kommunistischer Funktionäre durchsetzte, entstanden starke antikommunistische Strömungen, die der Tätigkeit der Kommunisten Grenzen zogen.

 

Das übrige Europa

In den meisten anderen Ländern Westeuropas erlitten die KPs Rückschläge. Einerseits hatten sie keine wirkliche Basis in der Arbeiterklasse, andererseits hinderte sie ihre Loyalität zur Sowjetunion, ihren eigenen Platz im nationalen politischen Gefüge zu finden. Wie die folgende Übersicht zeigt, fiel ihre parlamentarische Erfolgskurve steil ab:

Jahr

Sitze

Jahr

Sitze

Belgien

1946

23

1954

4

Dänemark

1945

18

1953

7

Holland

1946

10

1952

6

Norwegen

1945

11

1953

3

Schweden

1944

15

1952

5

Schweiz

1947

  7

1955

4

Auch in Spanien sah sich die KP geschwächt und isoliert. Mit dem Ende des Weltkriegs war dort die Opposition gegen Franco mit Streiks und Guerillakämpfen wieder aufgelebt. Aber zu Beginn des Kalten Krieges brachen andere Teile der Opposition in der Furcht, die Unterstützung Spaniens durch die Westmächte zu gefährden, die Verbindungen zur KP ab. Der Aufruhr der Opposition erstarb und die KP fand sich mit der Auflösung der Guerillagruppen ab.

In zwei Ländern hielt die KP jedoch ihre Stellung. In Finnland gewann die Partei in allen Nachkriegswahlen über 20 Prozent der Stimmen, obwohl sie 1948 aus der Regierung ausgeschlossen wurde; in Island fiel ihr Anteil nie unter 16 Prozent. Der erste Fall kann mit der Nähe zur Sowjetunion erklärt werden, der zweite durch die Isolation und eine starke antiamerikanische Stimmung. Aber beide Parteien sollten in späteren Jahren eine bedeutende Rolle spielen.

 

Die USA

Es existiert ein weit verbreiteter Mythos, daß der Kommunismus in den USA nie irgendwelche Wurzeln hatte oder höchstens eine vorübergehende Infektion unter Intellektuellen war. Das ist nicht richtig. Seit dem Aufstieg der Gewerkschaft CIO (Congress of Industrial Organizations) in den dreißiger Jahren hatte die KPUSA bedeutenden Einfluß in einer Reihe von Gewerkschaften gewonnen, einschließlich der Hafenarbeiter-, Automobilarbeiter- und Elektrizitätsarbeitergewerkschaft.

Gegen Ende 1946 begann ein massiver Angriff auf die amerikanischen Kommunisten. Die Republikaner eröffneten die Hexenjagd unter Führung von FBI-Chef J. Edgar Hoover, aber der demokratische Präsident Truman war nicht zu überbieten und ordnete im März 1947 Sicherheitsüberprüfungen für zweieinhalb Millionen Regierungsangestellte an; innerhalb kurzer Zeit mußten sich mehr als acht Millionen US-Bürger dem Loyalitätsschwur unterziehen und unterlagen der Überwachung durch die Loyalitätsausschüsse.

1947 traf das „Taft-Hartley“-Gesetz Vorsorge, daß keine Gewerkschaft sich der Dienste der „Nationalen Kammer für Arbeitsbeziehungen“ bedienen konnte (zum Beispiel um das Recht zu Tarifverhandlungen in einem Betrieb zu bekommen), bevor ihre Führer schriftlich versicherten, daß sie nicht Mitglieder der KP oder mit ihr verbunden waren. Das machte den Weg frei für eine Treibjagd auf Kommunisten in den verschiedenen Gewerkschaften.

Während sich dies abspielte, hatte außerhalb von Wisconsin noch kaum jemand etwas von Senator Joe McCarthy gehört. Da es heute Mode geworden ist, den McCarthyismus auf allen Seiten als eine unbedeutende Verirrung in der Geschichte der amerikanischen Demokratie zu verurteilen, ist es wichtig hervorzuheben, daß es den McCarthyismus nicht hätte geben können, wenn nicht der Boden dafür vom gesamten politischen Establishment der USA vorbereitet gewesen wäre.

McCarthy selbst zeichnete sich weder durch Ehrenhaftigkeit noch durch Intelligenz aus. Einmal zahlte er ein Darlehen von 10.000 Dollar für den Kampf gegen den Kommunismus auf ein Sonderkonto ein und hob es drei Wochen später wieder ab, um es einem Freund für Spekulationen mit Sojabohnen zu geben. Er stellte Zeugen Fragen über die „Sowjetbotschaft in Moskau“ und zitierte ständig Zahlen, die weder gleichbleibend noch zutreffend waren. Aber der Einfluß des antikommunistischen Mythos war so groß, daß McCarthy das Leben und die Laufbahn von Hunderten von Menschen ruinieren konnte; alternde Ex-Kommunisten starben unter der quälenden Angst an Herzattacken, und Einwanderer, die mehr als fünfzig Jahre in den USA gelebt hatten, wurden zur Deportation verurteilt. Nur wenige mutige Individuen traten gegen McCarthy’s Bluff auf und ließen sich nicht einschüchtern.

Die amerikanische KP wurde Opfer eines massiven Unterdrückungsfeldzuges, der die amerikanische Linke um eine ganze Generation zurückwarf. Aber ein Teil der Verantwortung für die Niederlage muß ihrer eigenen Taktik zugeschrieben werden. Wenn man in ihr immer die unnachgiebigste Verteidigerin der Interessen der Arbeiterklasse hätte sehen können, hätte sie sich vielleicht eine bestimmte Basis in der Klasse erhalten können. Aber zu oft hatte sie bewiesen, daß der Klassenkampf ihrer Linientreue zu Moskau untergeordnet war – mit ihrer früheren Unterstützung für Roosevelt, und bei den Präsidentschaftswahlen von 1948 sogar mit ihrer Unterstützung von Henry Wallace, einem „Fortschrittlichen“, der den Handel mit der Sowjetunion befürwortete. Eine derartige Strategie, die über dritte Parteien funktionierte, statt für ihre eigenen Ziele zu kämpfen, erleichterte es der herrschenden Klasse, sie zu isolieren.

 

Die Friedensbewegung

Die Periode von 1947 bis 1953 kann als eine der „linken“ Phasen in der Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung betrachtet werden. Aber es gab keinen vollständigen Bruch mit der Volksfront-Tradition. Die sowjetischen Führer verfolgten immer noch eine langfristige Strategie der friedlichen Koexistenz, und den nationalen KP-Führern ging es vor allem darum, im politischen Leben ihrer Länder verwurzelt zu bleiben. Auf diesem Hintergrund muß die Friedensbewegung der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre gesehen werden.

Die Bewegung begann mit einer Konferenz von Intellektuellen für den Frieden, die 1948 in Wroclaw (Breslau) abgehalten wurde, 1949 gefolgt von einem großen allgemeinen Kongreß in Paris mit einem Parallelkongreß in Prag für die Ostblockdelegierten, denen die französischen Visa verweigert wurden. Diese Kongresse führten zur Schaffung des Weltfriedensrates, der im März 1950 den berühmten Stockholmer Appell für das „bedingungslose Verbot von Atomwaffen“ herausgab. Die Logik solcher Bewegungen, die nach einer breiten Basis zur Unterstützung von Minimalforderungen streben, ist zwangsläufig die, dem niedrigsten politischen Niveau ständig Zugeständnisse zu machen. Sie stehen in völligem Widerspruch zur Leninschen Tradition, der mitten in einem imperialistischen Krieg schrieb:

Beendigung der Kriege, Friede unter den Völkern, Aufhören von Raub und Gewalt – das ist fürwahr unser Ideal, jedoch können bürgerliche Sophisten die Massen damit betören, indem sie dieses Ideal von der sofortigen, unmittelbaren Propagierung revolutionärer Aktionen trennen. [10]

Der zweite Weltfriedenskongreß, der im November 1950 in Warschau abgehalten wurde (nachdem die Labour-Regierung seine Durchführung in Sheffield verboten hatte), legte das Schwergewicht auf den Kampf gegen die deutsche Wiederbewaffnung, was einem Appell an die übelsten antideutschen Gefühle und praktisch einer Aktionseinheit mit solchen rechten, nationalistischen Kräften wie dem Daily Express in England gleichkam. Im März 1951 erhob der Weltfriedensrat die noch vagere und nebelhaftere Forderung nach einem „Friedenspakt zwischen den fünf Großmächten – Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Chinesische Volksrepublik, Großbritannien und Frankreich“ – de facto eine Aufforderung, zum Bündnis des zweiten Weltkrieges zurückzukehren.

Die Orientierung und Taktik der Bewegung war notwendigerweise auf die Mittelklasse ausgerichtet. Auf dem Warschauer Kongreß waren von zweitausend Delegierten nur 121 Arbeiter und Bauern; der ganze Rest bestand aus Angehörigen der Mittelklasse oder Intellektuellen. Im August 1950 wurde behauptet, der Stockholmer Appell trage inzwischen 273 Millionen Unterschriften. Viele dieser Unterschriften waren in Fabriken gesammelt worden; viele andere unter krimineller Vergeudung von Aufopferung und Mut der Militanten in der Illegalität, in Diktaturen. Im wesentlichen stellte die ganze Strategie ein Zugeständnis an die Politik der Mittelklasse dar und gab den Parteimitgliedern aus der Mittelklasse eine Möglichkeit zur Aktivität. In vieler Hinsicht bereitete die Friedensbewegung den Weg für Tendenzen, die nach Stalins Tod anwachsen sollten.

 

Anmerkungen

1. Einen Bericht aus trotzkistischer Sicht gibt P. Bois: La Grève Renault d’avril-mai 1947, Paris 1971

2. A. Barjonet: La CGT, Paris 1968, S.49

3. Zit. bei A. Werth, France 1940-55, London 1956

4. Cahiers du Communisme vom September 1949

5. H.K. Smith: The State of Europe, New York 1949, S.206

6. CISL Bolletino vom 15. Jan. 1952

7. Berichtet in World News and Views vom 28. April 1951

8. Tsoucalas, op. cit., S.102-3

9. M. Djilas: Conversations with Stalin, London 1963, S.140-41

10. W.I. Lenin: Die Frage des Friedens, geschrieben Juli-August 1915, in: Lenin, Werke, Berlin 1971, Bd.21, S.292

 


Zuletzt aktualisiert am 3.8.2001