Dragan Plavsic

 

Kriege ohne Ende

(April 2001)


Dragan Plavsic, Wars without end, Socialist Review 251, April 2001.
Übersetzung: Gabi Engelhardt.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für REDS – Die Roten.


Die Weltmächte werden alle zur Verfügung stehenden Mittel anwenden, einschließlich Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen, sagt Dragan Plavsic

Seit der Schlacht zu Seattle, wo Zehntausende von normalen Bürgern, radikalen Aktivisten und Gewerkschaftern auf die Straßen gingen, um sich der WTO entgegenzusetzen, wird „Globalisierung“ immer intensiver sowohl von Kapitalisten als auch von Antikapitalisten diskutiert [debattiert]. Für Aktivisten gegen das System ist sie eine elegante Kurzschrift für den ökonomischen Prozeß, wodurch die riesigen multinationalen Konzerne der fortgeschrittenen Industrieländer, vor allem der USA, Japans, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, dazu gekommen sind, das Leben von Millionen überall in der Welt zu beherrschen und zu verarmen. Sie ist auch eine nützliche Kurzschrift für die enorme Macht, die globale Finanzeinrichtungen wie der Internationale Währungsfond (IWF), die WTO und die Weltbank, jetzt ausüben, wenn sie drakonische neoliberale Bedingungen auf Schuldnerstaaten auferlegen. Zusammengefaßt hat man weit und breit die Globalisierung vor allem als ökonomischen Begriff verstanden.

Es gibt jedoch eine politische und militärische Dimension, die man weder als Nebenerscheinung betrachten noch übersehen soll. In der Tat ist sie für ihren Erfolg absolut wesentlich. Diese ist die Staatsmacht, die die USA und die führenden Industriestaaten ausüben, um die ökonomischen und politischen Bedingungen zu fördern, die ihre multinationale Konzerne dann ausnützen können. Wie der russische Sozialist, Boris Kagarlitzki vor kurzem bemerkt hat: „Trotz der Tatsache, daß internationale Finanzeinrichtungen enormen Einfluß gewonnen haben, können sie nicht ihre Politik verfolgen, außer durch die Vermittlung des Staates.“ Als Ergebnis, merkt er, hat dies zur „verstärkten globalen ökonomischen Rolle der Staaten im Zentrum gegenüber jenen an der Peripherie“ geführt. So haben die USA 17 Prozent der Stimmen beim IWF, wo 15 Prozent für ein Veto nötig sind. Die größten G7-Industrieländer haben zusammen entscheidende 45 Prozent der Stimmen. Die USA haben 250 permanente Delegierte bei der WTO, während die 35 ärmsten Länder überhaupt keine haben.

Aber die Verwendung der Staatsmacht bedeutet schließlich mehr als ökonomische und politische Muskeln in den Korridoren der globalen Finanzeinrichtungen spielen zu lassen. Sie bedeutet die Bedrohung und Anwendung von militärischer Gewalt, wenn sie nötig ist. Auch der Kommentator für Außenpolitik bei der New York Times, Thomas L. Friedman – der Mann, der gewitzelt hat, daß keine zwei Staaten mit einer McDonalds Filiale je in den Krieg gegeneinander getreten seien –, hat offen bemerkt: „Die versteckte Faust, die die Welt für die Technologien von Silicon Valley sicher gehalten hat, heißt die Armee, Luftwaffe, Marine und Marinekorps der USA.“ Mit anderen Worten, die Globalisierung kann nicht ohne den Imperialismus funktionieren und der IWF und die WTO können nicht ohne die NATO blühen [florieren].

Obwohl Globalisierung als begriff relativ neu ist, ist der Prozeß, den sie beschreibt – wie der Kapitalismus auf Weltebene immer mehr internationalisiert wird –, überhaupt nicht neu. Ganz von Anfang an war die Globalisierung unzertrennlich mit dem Wachstum der Staatsmacht und des Imperialismus verbunden. Die historischen Wurzeln dieser Verbindung kann man zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, als große Konzerne aus den Trümmern von kleinen firmen gebildet wurden, die in Zeiten der Wirtschaftskrise gescheitert waren. Je größer die Firma, desto besser konnte sie mit ihren einheimischen Rivalen konkurrieren und so einen größeren Anteil des Binnenmarktes erobern. Schließlich wurden diese Firmen zu Monopolen, die ein so bedeutendes ökonomisches Gewicht hatten, daß es ihnen ermöglichte, Druck auf den eigenen Staat auszuüben. In dieser Weise integrierten sich zunehmend Staatsmacht und Monopolkapital, so daß, als die Monopole über ihre nationalen Schranken hinauswuchsen und neue Märkte, Investitionen und Rohstoffe überall in der Welt aussuchten, die politische und militärische Ressourcen ihres Staates sie begleiteten, um ihre Anforderungen durchzusetzen.

Gerade in diesem Aufstieg der großen militarisierten Staaten und in ihrem Kampf um die Kolonisierung und Beherrschung der Welt kann man die grundsätzlichen wurzeln des Massengemetzels im ersten und im Zweiten Weltkrieg sehen. Auch gerade weil die Globalisierung herute keine qualitativ neue Erscheinung ist, ist der Drang zum Krieg ebensosehr ein Merkmal der heutigen Zeit wie in der Vergangenheit.

Trotzdem gibt es einige zeitgenössische Kommentatoren, die der ganz gegensätzlichen Meinung sind. Sie glauben, daß das Nettoergebnis der Globalisierung eine sicherere und friedlichere Welt sein werde, eine Welt, die von Märkten zusammengebunden werde, worin nationale Grenzen, nationale Identitäten und Nationalstaaten verschwinden werden. So Friedman, der sonst entwaffnend einfühlsam über das Verhältnis zwischen Markt und Militär macht ist, in seinem Buch The Lexus and the Olive Branch: „Die heutige Version der Globalisierung ... steigert die Anreize dazu, keinen Krieg zu führen, und steigert die Kosten der Kriegführung in mehreren Weisen als früher in der modernen Geschichte.“ In 1996 stellte Renato Ruggiero, damals Generaldirektor der WTO, das Argument in seiner blankesten Form, als er sagte, die Wahl, vor der die moderne Welt stehe, sei entweder „Globalisierung oder Krieg“.

Es ist unmöglich, diese Ansicht in Einklang mit der Wirklichkeit zu bringen. Die 1990er Jahre bezeugten zwei größere imperialistische Kriege, der erste 1991 im Golf und der zweite 1999 im Balkan. die Wurzeln der beiden Kriege kann man nicht begreifen, außer wenn man sie im Hinblick auf den Hintergrund der Globalisierung und der Ausübung von Staatsmacht zu ihrer Unterstützung betrachtet Und die Folgen für die beiden Regionen sind verheerend gewesen.

 

 

Die Kosten der US-amerikanischen Intervention

Iraks Einmarsch in Kuwait provozierte massive von den USA geführte militärische Vorbereitungen im Golf und einen daraus erfolgenden Angriff, der geschätzt zu 100.000 toten Irakern führte. Im Jahrzehnt seit Iraks Niederlage haben von den USA gelenkte Sanktionen schätzungsweise den verfrühten Tod von 500.000 Kindern verursacht. Als man Madeleine Albright, die ehemalige Außenministerin der USA wegen dieses Blutzolls herausforderte, bemerkte sie einmal niederträchtig: „Der Preis ist es wert.“ Aber was war solcher Verachtung für das menschliche Leben wert? Nichts weniger anscheinend als die ökonomische und militärische Vernichtung Iraks und damit die Zerstörung jeder Vorstellung einer arabischen Macht, die die Kontrolle des Westens über das Erdöl des Nahen Ostens und damit die Riesenprofite der amerikanischen und britischen Erdölmultis wie Chevron, Exxon und British Petroleum bedrohen könnte. In Wirklichkeit wäre es kaum möglich, ein besseres Beispiel zu finden für die Weise, wie die Integration der ökonomischen Macht des multinationalen Kapitals mit der militärischen und militärischen Macht der US-amerikanischen und der führenden kapitalistischen Staaten hinter dem drang zum imperialistischen Krieg in der gegenwärtigen Zeit liegt.

In derselben Weise kann man den Krieg gegen Jugoslawien außerhalb vom breiteren Zusammenhang des Zusammenbruchs des Sowjetreichs und des daraus ergebenden Eindringens des multinationalen Kapitals und der Staatsmacht der USA gen Osten nicht verstehen. Als die Strukturanpassungsprogramme des IWF die Wirtschaften Rußlands und Osteuropas verwüstet haben und die multinationalen Konzerne die rentableren Branchen dieser Wirtschaften abgesahnt haben, fand die parallel laufende Eingliederung der Tschechischen Republik, Polens und Ungarns in die NATO statt mit dem Ziel, die USA gegen die Möglichkeit eines wieder aufsteigenden Rußlands zu verstärken. Unter diesen Umständen, konnten sie es nicht leisten, die Gelegenheit für die Niederschlagung eines russischen Verbündeten zu verpassen.

Aber hinter dem Krieg steht etwas mehr als das. Hinter dem gesamten menschenfreundlichen und moralistischen Rhetorik, die New Labour benutzte [wie auch die Rot/Grüne Regierung Deutschlands], um ihn zu rechtfertigen, steht die unerzählte Geschichte darüber, wie der Krieg sich auf die Ausbeutung der Erdölressourcen am Kaspischen Meer durch die führenden Erdölmultis bezieht und wie das entsprechende Bedürfnis, das Erdöl gen Westen zu transportieren, die militärische Befriedung der Region bedeutete, wann immer die Gelegenheit entstehen sollte. Während der 1990er Jahre investierten US-Amerikanische und britische Erdölmultis Milliarden in den Staaten um das Kaspische Meer – Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan – sowie in ihren Nachbarn wie Georgien.

was hier riskiert wird, läßt sich kaum übertreiben. Im September 1997 bemerkte die New York Times: „Vergessen Sie Investmentgesellschaften, die Rohstoffzukunftsbörse und Konzernenzusammenschlüsse. Vergessen Sie südafrikanische Diamanten, europäische Währungen und thailändische Aktien. Die konzentrierteste Masse von unangezapften Reichtümern, die nach heutigem Wissensstand überhaupt existiert, liegt in den Erdöl- und Gasfeldern unter dem Kaspischen Meer und den umliegenden Ländern ... Die strategischen Folgen dieser Bonanza faszinieren die Sicherheitsplaner des Westens ebensosehr wie die Finanzen die Vorstände der Erdölindustrie imponieren.“ Kein Zufall dann, daß im April 1999 bei der NATO-Gipfel in Washington Aserbaidschan, Georgien, Moldowa, Ukraine und Usbekistan ein Bündnis bildeten, das laut der Financial Times „die reichen Erdöl- und Gasvorräte unter Ausschluß von Rußland entwickeln“ sollte.

Als im Juni 1999 Socialist Review zuerst die Möglichkeit einer Verbindung zwischen der Bombardierung Jugoslawiens und einer transbalkanischen Pipeline untersuchte in einem Artikel von John Rees mit dem Titel Nato and the New Imperialism (Nato und der neue Imperialismus) bestand die allgemeine Reaktion der Anhänger des Krieges aus hohn. In einem Artikel im Guardian war Jonathan Freedland verachtend abweisend: „Es geht alles ums Erdöl, sagt die SWP. Wenn man darauf hinweist, daß es in Kosovo kein Erdöl gibt, antworten die Genossen im Chor, daß, oh ja, das wirkliche Ziel Amerikas ‚das Erdöl im Kaspischen Meer‘ sei. Es stört ihnen nicht, daß das ein halbes Kontinent entfernt ist und steckt zwischen Iran und Turkmenistan.“

Und trotzdem, am 2. Juni 1999, gerade am Tag der Veröffentlichung von Freedlands Artikel im Guardian, kündigte die US-amerikanische Trade and Development Agency (TDA) – „eine unabhängige Bundesanstalt, die bei der Schaffung von Arbeitsstellen für Amerikaner hilft, indem sie amerikanischen Firmen dabei hilft, Investitionsmöglichkeiten im Ausland zu verfolgen“ – an, daß sie Bulgarien $ 588.000 verleihe als Teilfinanzierung für eine Tauglichkeitsstudie über ein transbalkanisches Pipeline, das durch Bulgarien, Mazedonien und Albanien führen sollte. Der Direktor der TDA. J. Joseph Grandmaison, erklärte: „Die Konkurrenz darum, die Energieressourcen in der Kaspischen Region anzuzapfen, ist heiß ... Dieser ... ist ein bedeutender Schritt nach vorne ... für US-amerikanische Geschäftsinteressen in der Kaspischen Region.“ Bei geschätzten Kosten von $ 1 Mia. würde eine transbalkanische Verbindung dreimal billiger als ein alternatives Pipeline durch die Türkei sein. An jenen Tag in Sofia saß der US-amerikanische Botschafter, Avis Bohlen, mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Bulgariens, Ewgeni Bakardjew, nieder, um bei einer besonderen Zeremonie die Zuschußvereinbarung zu unterzeichnen. Gerade am nächsten Tag, dem 3. Juni 1999, bat die jugoslawische Regierung um Frieden.

Gerade deswegen, weil die NATO-Intervention in Kosovo nicht von den Interessen der balkanischen Völker motiviert wurde, sondern von den vorrangigen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der USA und der führenden kapitalistischen Staaten des Westens, beweisen sich die Folgen für die ganze Region als verheerend. So hat ein Krieg zur Verteidigung der ethnischen Toleranz zu einem Kosovo mit nur einer ethnischen Gruppe, dessen serbische Minderheit fehlt. Ein Krieg zur Verteidigung der Demokratie hat zum kolonialen Status für Kosovo geführt, das von einem vom Westen ernannten bevollmächtigten regiert und von westlichen Truppen polizeilich überwacht wird. Und ein Krieg für Frieden und Stabilität hat zu weiterem Blutvergießen und Instabilität geführt.

Das Gespenst des albanischen Nationalismus in der Form der Kosovo Befreieungsarmee (UCK), die 1999 von den USA aufgestellt wurde, um ihre Bombardierung zu unterstützen, bedroht jetzt gerade den „Frieden“, den die USA aufzuzwingen versucht haben. Wie die Financial Times es letzten Monat ausdrückte: „Jetzt stammt die größte Gefahr für einen zerbrechlichen Frieden im Balkan vom albanischen Extremismus. Albanische Aufständische mit Waffen, die von der UCK geliefert wurden, sind wiederholt mit serbischen Polizisten in der Pufferzone entlang die Grenze mit Kosovo zsuammengestoßen, und noch brisanter mit Truppen im benachbarten Mazedonien. Die große Gefahr in Mazedonien ist die eines umfassenden Bürgerkriegs zwischen den mazedonischen Slawen, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden, und der großen albanischen Minderheit, die deutliche Lehren aus dem Erfolg der UCK gezogen hat. Wie ein Albaner dort bemerkte: „Wir wollen nicht, daß Menschen sterben, aber wir haben gelernt, daß es keinen anderen Weg nach vorne gibt.“ Mit einem Pipeline in Vorbereitung und der Aussicht einer weiteren ethnischen Feuersbrunst im Balkan gibt es eine bittere Ironie nicht nur in der Tatsache, daß US-amerikanische Truppen jetzt Feuer mit albanischen Guerillas ausgetauscht haben, sondern auch daß die NATO die jugoslawischen Armee, einen erst vor zwei Jahren Todfeind, in die Pufferzone eingelassen hat, um bei der Befriedung der Aufständischen zu helfen. Es ist jetzt ganz klar, daß die Einmischung der NATO in Kosovo überhaupt keine der Probleme der Region gelöst hat. Stattdessen hat sie die Ausbreitung des ethnischen Konflikts noch weiter über den Balkan versichert.

 

 

Das Undenkbare denken

Nicht weniger beunruhigend sind die militärischen Vorbereitungen, die die NATO-Einmischung provoziert hat. Nachdem China letzten Monat eine 18prozentige Steigerung der Verteidigungsausgaben ankündigte, bemerkte die Financial Times: „Chinesische Vertidigungsplaner haben argumentiert, die NATO-Einmischung in Kosovo habe ein Schlaglicht auf die interventionistische Absichten des Westens geworfen und daher eine stärkere Armee gerechtfertigt. Und da Präsident Bush entschlossen ist, das „Star Wars“-Raketenabwehrsystem der Reagan-Jahre wieder auszugraben, gilt die vom russischen Bolschewiken Nikolai Bucharin während des Ersten Weltkriegs gezogene Schlußfolgerung ebensosehr heute wie damals als er es schrieb: „Eine kapitalistische Gesellschaft ist ohne Rüstungen ebenso undenkbar wie ohne Kriege.“

Und was inmitten des Chaoses hat New Labour über die großen Fragen der Globalisierung und des Krieges zu sagen? Über die Globalisierung wird ihre Haltung symbolhaft von ihrer aggressivsten Bekehrten, der Ministerin für internationale Entwicklung, Clare Short, ausgedrückt, als sie sagt: „Die multinationalen Konzerne sind nicht das Problem, Afrikas Problem ... besteht nicht darin, daß das multinationale Kapital es ausbeutet, sondern darin, daß das multinationale Kapital kein Interesse hat, da zu investieren.“ Über den Krieg spricht die Begeisterung von New Labour für die Osterweiterung der NATO, für den Krieg gegen Jugoslawien und für die Fortsetzung der Bombardierung Iraks für sich. So war es, daß George Robertsons hartnäckige Verteidigung des Krieges gegen Jugoslawien nicht nur eine Lordschaft gewonnen, sondern auch die Stelle als Generalsekretär der NATO. Dies ist wirklich sehr weit entfernt von der mutigen Erklärung des ersten Führers der Labour Party, des vergessenen Helden Keir Hardie, die er beim Ausbruch des Ersten Weltkrieg ausgab: „Der seit langem bedrohenden europäische Krieg ist jetzt über uns ausgebrochen. Man hat sich nie bei Euch darüber beraten lassen. die Arbeiter aller Länder müssen sich jetzt alle Anstrengungen Machen, um ihre Regierungen daran zu hindern, sie zum Krieg zu verpflichten. Haltet riesige Demonstrationen gegen den Krieg in London und in allen Industriezentren. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Nieder mit der Rolle der rohen Gewalt! Nieder mit dem Krieg! Hoch die friedliche Herrschaft des Volkes!“

Die Alternativen, die vor uns stehen, sind nicht, wie unsere Herrscher es gern darstellen möchten, Globalisierung oder Krieg. Sie sind genau dieselben, die 1914 vor Keir Hardie standen – Sozialismus oder Krieg. Es soll keine Illusionen darüber geben, auf welcher Seite New Labour steht. Ihre unaufhörliche Befürwortung der Privatisierung im Inland und der Globalisierung im Ausland sind von selben Tuch geschnitten wie ihre unermüdliche Begeisterung für die NATO-Erweiterung und den US-amerikanischen Imperialismus überall in der Welt. Der Geist von Keir Hardie ist in Blairs Labour Party wirklich tot. Die Zeit ist sicherlich gekommen, eine sozialistische Alternative zu New Labour, Globalisierung und Krieg aufzubauen.

 

 

Karte von “Großalbanien”

Der neueste Kampfausbruch im ehemaligen Jugoslawien wird mit Beklommenheit auf allen Seiten begrüßt. Das kleine und arme Land Mazedonien ist Heimat für eine Vielfalt von verschiedenen ethnischen gruppen und wird seit langem als potentiell einer der gefährlichsten Teile des Balkans betrachtet, sollte Feuersbrunst da stattfinden. Das sieht jetzt höchstwahrscheinlich aus. Während die „internationale Gemeinschaft“, die NATO und die K-FOR-Kräfte, die das benachbarte Kosovo besetzen, die Hände ringen, als die Lage vor ihren Augen aufgeht, sind sie nicht bereit, die Verantwortung für die Geschehnisse zu übernehmen.

Trotzdem wäre es nicht so weit gekommen, hätte es nicht bestimmte Ereignisse in der breiteren Region gegeben und besonders hätte es nicht 1999 den von der NATO geführten Krieg und die darausfolgende Besetzung von Kosovo gegeben. Die NATO benutzte damals die Kosovo Befreiungsarmee (UCK) als seine „Augen und Ohren“ in seinem Kampf gegen die serbische Armee. Wenn der Krieg einmal vorbei war, machte K-FOR wenig, um die schreckliche ethnische Säuberung zu verhindern, dieses Mal von Serben und Roma. Obwohl sie auf dem papier aufgelöst wurde, hat die UCK weiter die Macht ausgeübt und hat ihre Aufmerksamkeit auf den Kampf gegen Serbien in den von Albanern beherrschten Gebieten Südserbiens gewandt. Das ziel war klar – alle ethnisch albanischen Gebiete in anderen Ländern als Teil eines „größeren Albaniens“ [„Großalbaniens“] zu gewinnen [eroberen].

Zwei Ereignisse haben den Prozeß in Südserbien beschleunigt, und jetzt in Mazedonien, wo zwischen einem Viertel und einem Drittel der Bevölkerung ethnische albanischer Herkunft ist. Eins war die relative Niederlage der UCK bei den Wahlen in Kosovo letzten Herbst, wo konstitutionellere Parteien mit einer größeren Verpflichtung zur ethnischen Vielfalt eine Mehrheit gewannen. Das zweite war der Sturz von slobodan Milosevic in belgrad – was bei albanischen Nationalisten überhaupt nicht willkommen war, die zurecht anerkannten, daß dies es schieriger machen würde, die Forderung nach der vollen Unabhängigkeit Kosovos zu gewinnen.

Der Observer berichtete vor kurzem, daß die CIA die UCK und ihre Operationen in Südostserbien finanziert und ausgebildet hatte. Jetzt gibt es Berichte, daß die britische Regierung militärische Berater schicken will, um der mazedonischen Regierung bei der Niederschlagung der UCK in Tetovo zu helfen. Die Strategie des Westens ist bankrott. Man erzählte uns, daß der Sturz von Milosevic Kriege im Balkan beenden würde. Stattdessen setzen sich die Kriege fort, nicht wegen eines unerbittlichen Drang der Balkanvölker zum Krieg, sondern weil alle vermeintlichen „Lösungen“ für die Probleme der Region gescheitert sind. und das ist so, weil sie alle auf der weiteren Teilung und ethnischer Säuberung beruhen, und auf einem korrupten System von internationalen Protektoraten in Bosnien und Kosovo, plus schwachen prowestlichen Regierungen in einer Reihe von armen und durch Krieg geschädigten Staaten. Weitere ethnische Spannungen sind daher in der Situation vorprogrammiert, da jede ethnische Gruppe ihre Interessen im Gegensatz zu allen anderen und mit Hinblick auf Neuverteilung definiert.

Die Folgen in Mazedonien sind besonders erschreckend. Ethnische Albaner dort haben wirkliche Beschwerden, besonders die Diskriminierung gegen ihre Sprache, aber Krieg oder Teilung kann keine dieser Beschwerden lösen. Die Regionalmächte, Bulgarien, Griechenland und die Türkei, könnte einmischen, wenn es einen Kreig gibt. Schon hat der türkische Ministerpräsident, Bulent Ecevit, gesagt: „Der Balkan kann keinen neuen Krieg ertragen.“ Der Krieg der NATO und die weitere Präsenz des Westens haben die Probleme nur verschärft. Es ist an der zeit, daß die Balkanvölker nach einer Alternative suchen, die sich auf einer sozialistischen Föderation aller ethnischen Gruppen in der gesamten Region stützt, worin all volle und gleiche Rechte haben.

Das fordert ein Ende der westlichen Besatzung und der Klientstaaten des Westens. Eine solche Forderung wurde von Sozialisten erhoben vor fast 100 Jahren zur Zeit der Balkankriege, die zum Ersten Weltkrieg führten. Wir müssen hoffen, daß Änderung in der Region kommen kann, ohne daß wir noch einmal durch dieselbe Erfahrung gehen müssen.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.6.2002