Alex Callinicos

Die Rückkehr der
arabischen Revolution

(Frühjahr 2011)


Alex Callinicos, The return of the Arab revolution, International Socialism, Nr. 130, Frühjahr 2011.
Aus dem Englischen von Rosemarie Nünning und David Paenson.
HTML-Markierung von Einde O’Callaghan für REDS – Die Roten.


Im Winter 1939/40 schrieb der deutsche marxistische Literaturkritiker Walter Benjamin einen bemerkenswerten Text, die Thesen Über den Begriff der Geschichte. Darin griff er den in der Linken weitverbreiteten Glauben an, dass der Sozialismus die unvermeidliche Frucht des historischen Fortschritts sei. „Es gibt nichts, was die deutsche Arbeiterschaft in dem Grade korrumpiert hat wie die Meinung, sie schwimme mit dem Strom“, schrieb er. Die Revolution ist nicht das festgelegte Ergebnis eines menschlichen Fortschritts, der „eine homogene und leere Zeit“ durchläuft. Vielmehr ist sie „der Tigersprung ins Vergangene“, der die Erinnerung an vergangenes Leiden und an Unterdrückung durch die herrschende Klasse wachruft. Und Benjamin schließt damit, daran zu erinnern, dass in der jüdisch-messianischen Tradition „jede Sekunde die kleine Pforte [war], durch die der Messias treten konnte“. [1]

Die Revolution ist mit anderen Worten nicht das vorhersagbare Ergebnis einer nach vorne gerichteten historischen Bewegung – sie ist ein plötzliches, unerwartetes Hereinbrechen in eine Geschichte, die „eine einzige Katastrophe [ist], die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft“. [2] Benjamin schrieb diese Worte in einem sehr düsteren historischen Moment, der „Mitternacht des Jahrhunderts“, als der Hitler-Stalin-Pakt den Tod jeder radikalen Hoffnung zu symbolisieren schien. Aber sie lassen sich sehr gut auch auf die Revolutionen anwenden, die seit Mitte Dezember die arabische Welt erfasst haben. Anscheinend aus dem Nichts heraus und völlig unerwartet brach sich die über Jahrzehnte angestaute Verbitterung in Revolutionen Bahn, die nicht nur die politische Landkarte des Nahen Ostens neu zeichnen, sondern von viel breiterer geschichtlicher Bedeutung sind.

Zuallererst markieren die Umwälzungen in Tunesien, Ägypten und Libyen und ihr Widerhall in der Region die unvorhergesehene Rückkehr der arabischen Revolution. Beginnend mit der Machtergreifung der Bewegung der Freien Offiziere in Ägypten im Juli 1952 erfasste die arabische Revolution den gesamten, immer noch vom britischen und französischen Imperialismus beherrschten Nahen Osten. Nachdem er aus den innerägyptischen Auseinandersetzungen siegreich hervorgegangen war, ging Gamal Abdel Nasser nicht nur erfolgreich gegen die Kolonialmächte vor und enteignete die wohlhabenden Klassen Ägyptens, er sprach auch das in der Region weitverbreitete Bewusstsein an, zu einer einzigen arabischen Nation zu gehören, die über den politischen Grenzen der aus der Kolonialzeit hervorgegangenen Staaten stand. Im Jahr 1958 rief Nasser die Vereinigte Arabische Republik aus, die aus einem kurzlebigen Bündnis zwischen Ägypten und Syrien bestand. Er führte im Nordjemen einen langwierigen Stellvertreterkrieg mit Saudi-Arabien, das schon damals die Hochburg der arabischen Reaktion war, und seine Anhänger nahmen aktiv an der großen irakischen Revolution von 1958 bis 1963 teil. Auch die radikaleren Führer des palästinensischen Widerstands gingen durch die Schule der panarabischen nasseristischen Bewegung.

Bereits auf dem Rückzug, erfuhr der nasseristische Panarabismus eine entscheidende Niederlage, als Israel im Sechstagekrieg vom Juni 1967 über Ägypten und die anderen arabischen Staaten triumphierte. Nasser starb drei Jahre später als gebrochener Mann. Das arabische Nationalbewusstsein überlebte in der zunehmend degenerierten Form der baathistischen Diktaturen im Irak und in Syrien und, sehr viel positiver, in der Solidarität mit dem palästinensischen Kampf. Aber seine fortdauernde Stärke zeigt sich in der Geschwindigkeit, mit der der revolutionäre Virus nach dem Sturz von Sine El Abidine Ben Ali am 14. Januar von Tunis auf Ägypten, den Jemen, auf Bahrain und Libyen übersprang. Sturmausläufer waren sogar noch im Iran zu verspüren, selbst eine zunehmend einflussreiche Kraft in der arabischen Welt, wo die Grüne Bewegung wiederbelebt wurde. Um eben die Ausbreitung dieses revolutionären Virus zu verhindern, schickten die autokratischen Regime des Golfkooperationsrats Mitte März Truppen nach Bahrain.

Die Geschichte wiederholt sich jedoch niemals eins zu eins. Nassers Panarabismus war der Versuch, die arabische Welt gegen den westlichen Imperialismus wie gegen die arabische Bourgeoisie und die Landeigentümer zu einen. Den Schauplatz bildeten die großen Unruhen in Ägypten und im Irak Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre, die Großbritanniens Marionettenregime in diesen Ländern in eine schließlich endgültige Krise stürzten. Nassers Projekt wurde zugleich strikt von oben verfolgt, wobei die Freien Offiziere und zunehmend auch Nasser persönlich die Kontrolle zu behalten versuchten und Volkskräfte wie die Muslimbruderschaft und die ägyptische kommunistische Bewegung manipulierten, spalteten und brutal unterdrückten. [3] Im Gegensatz dazu waren die arabischen Revolutionen des Jahres 2011 Volksaufstände von unten. Wie Kommentatoren bis zum Klischee wiederholt haben, waren sie nicht Eigentum irgendeiner politischen Partei oder Bewegung, sondern vielmehr von demokratischen Bestrebungen motiviert, weshalb all diese Kämpfe rasch die Form von Selbstorganisation annahmen.

Was wir erneut erleben, ist die klassische politische Form der Revolution. Unzählige Sozialtheoretiker und Medienmacher haben in den vergangenen zwanzig Jahren erklärt, die Revolution sei tot – sei es wegen des endgültigen Triumphs des liberalen Kapitalismus im Jahr 1989 oder dank des Aufkommens der „Postmoderne“. Eine Zeit lang schien es, als überlebe sie nur in Form der „Farbenrevolution“, mit denen eine Bande von Oligarchen eine andere unter der Fahne der Demokratie und mit Washingtons starker materieller und moralischer Unterstützung davonjagte.

Doch trotz des Geredes über die Rolle von Facebook und Twitter in den arabischen Erhebungen (ein Mythos, der von Jonny Jones an anderer Stelle in diesem Magazin entkräftet wird), ist es doch verblüffend, wie sehr die Revolutionen in Tunesien und Ägypten dem Muster folgen, das sich zum ersten Mal in der englischen Revolution der 1640er Jahre und der großen Französischen Revolution in den 1790er Jahren zeigte: Volkserhebungen, Spaltung der Elite an der Spitze der Gesellschaft, Kampf um die Loyalität der Armee, Auseinandersetzungen über die politische und wirtschaftliche Ausgestaltung des Nachfolgeregimes und weitere, womöglich radikalere Bewegungen von unten. In Libyen erleben wir zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Aufsatzes eine noch elementarere Dynamik mit dem Zusammenstoß zwischen Muammar al-Gaddafi und den Revolutionären. Jede Partei versucht Überlegenheit mit Kämpfern und Waffen herzustellen, um die andere Seite zu besiegen. Sie haben dabei das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt, dessen Ausgang ungewiss ist und der nun benutzt wird, um das jüngste imperialistische Eingreifen in der islamischen Welt zu rechtfertigen. Die Revolution ist im 21. Jahrhundert eine Realität.
 

Die Wirtschaftskrise und ihre politischen Opfer

Natürlich wäre es viel zu einfach zu behaupten, die arabischen Revolutionen seien aus dem Nichts heraus entstanden. Nehmen wir den wichtigsten Fall: Ägypten: In einer Gemeinschaftsstudie einer Gruppe Wissenschaftler der radikalen Linken (zu der auch etliche Autoren dieses Magazins gehören) wurden vor zwei Jahren die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Widersprüche und die wachsenden Widerstandsbewegungen aufgezeigt, die das Regime von Husni Mubarak auf den Weg zur „Stunde des Wandels“ drängten. [4] Marx schrieb: „In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.“ [5] Es ist eine Sache, die strukturellen Widersprüche herauszuarbeiten, die eine bestimmte Gesellschaft destabilisieren, eine andere jedoch vorherzusagen, wann und wie diese zusammenfließen und so zum Ausbruch kommen.

Wir sprechen hier aber von einer nationenübergreifenden Reihe von Revolutionen, und deshalb können die sie auslösenden Widersprüche nicht einfach auf nationaler Ebene lokalisiert werden. Der beste Ausgangspunkt ist zweifellos die wirtschaftliche und politische Krise. Vor einem Jahr schrieb Susan Watkins, Herausgeberin der New Left Review: „Vielleicht ist das bisher Erstaunlichste an der Krise des Jahres 2008 die Verbindung von wirtschaftlichen Wirren mit politischem Stillstand.“ [6] Das „bisher“ scheint jetzt der Angelpunkt dieses Satzes zu sein. In unserer Antwort wiesen wir darauf hin, dass schwerwiegende Strukturkrisen wie die derzeitige als ein sich hinziehendes Phänomen gesehen werden müssen, das verschiedene Phasen durchläuft. [7]

Eine ähnliche Auffassung vertraten kürzlich die beiden marxistischen Wirtschaftswissenschaftler Gérard Duménil und Dominique Lévy, deren Erklärung für die Krise sich von der in diesem Magazin entwickelten allerdings unterscheidet:

Ein gemeinsames Muster von Strukturkrisen sind ihre vielfachen Facetten und ihre Dauerhaftigkeit. Zum Beispiel ist es schwierig, exakt zu bestimmen, wie lange die Weltwirtschaftskrise dauerte und wie lange sie ohne die Kriegsvorbereitungen gedauert hätte, die zu einem Wirtschaftsaufschwung führten. Die Makroökonomie rutschte Ende 1929 bis 1933 in die Depression ab. Zu einer langsamen Erholung kam es bis 1937, als der Produktausstoß erneut sank. Die Kriegswirtschaft änderte dann den Gang der Ereignisse dramatisch […]. Vermutlich wird sich dasselbe auch bei der gegenwärtigen Krise abspielen. Wenn es nach der Kontraktion des Ausstoßes erst einmal zu positiven Wachstumsraten kommt, wird das den Eintritt in eine neue Phase kennzeichnen, aber zweifellos nicht die Auflösung der Spannungen, die zu der Krise führten. Vieles wird noch getan werden müssen. Werden positive Wachstumsraten auch ausreichende Wachstumsraten sein? Wann wird das wirtschaftliche Ungleichgewicht der US-Wirtschaft gelöst? Wie werden die Regierungsschulden abgetragen? Wird der Dollar dem internationalen Druck standhalten? Die Verwirklichung einer neuen, nachhaltigen Entwicklung wird ein langer und quälender Prozess sein. [8]

Wie wir ausgeführt haben, wird „eine länger andauernde Wirtschaftskrise Druck auf die bürgerlichen politischen Strukturen ausüben und ihre Bruchlinien sichtbar machen“. [9] Genau das ist in den arabischen Revolutionen geschehen. Die Risse sind zugleich wirtschaftlicher wie politischer Natur. Ägypten unter Mubarak und Tunesien unter Ben Ali waren in der Region Aushängeschilder des Neoliberalismus. Die Weltbank konnte ihre Begeisterung in ihrem Länderbrief von September 2010 kaum im Zaum halten:

Tunesien hat hinsichtlich eines ausgeglichenen Wachstums, der Armutsbekämpfung und der Erzielung guter Sozialindikatoren bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Es konnte in den vergangenen zwanzig Jahren eine stabile Wachstumsrate von 5 Prozent verzeichnen, ein ständig steigendes Pro-Kopf-Einkommen und einen entsprechenden Wohlstand seiner Bevölkerung, die durch eine Armutsrate von 7 Prozent unterstrichen wird, einer der niedrigsten in der Region. [10]

Etwas gemäßigter fiel das Lob für das Regime Mubaraks aus, aber die Bank äußerte sich immer noch anerkennend über seine „Erfolgsgeschichte als einer der Champions wirtschaftlicher Reformen im Nahen Osten und in Nordafrika“. [11] Tatsächlich kann Ägypten von sich behaupten, Pionier des Neoliberalismus im Süden des Globus zu sein. Im Jahr 1974 verkündete Präsident Anwar as-Sadat die Politik der Infitah, der wirtschaftlichen „Öffnung“ für Auslandsinvestitionen und Handel, was einen radikalen Bruch mit dem nasseristischen Staatskapitalismus bedeutete. [12] Mubarak ging noch weiter und stimmte im Jahr 1991 ein Wirtschaftsreform- und Strukturanpassungsprogramm mit den internationalen Geldinstituten ab. Eines seiner Hauptsäulen war das „Gesetz 96“ von 1991, mit dem den Pächtern ihre Rechte entzogen wurden, die die Freien Offiziere ihnen bei der Landreform von 1952 eingeräumt hatten, sodass die alten Grundherren und ihre Erben zurückkehren und die Bauern enteignen konnten. [13]

Trotz des Geredes Mubaraks in den 1990er Jahren von dem „Tiger am Nil“ erlebten die ägyptische und tunesische Wirtschaft kein „Wunder“ unter dem Neoliberalismus, sondern blieben für ihre Deviseneinnahmen deutlich abhängig vom Tourismus und vom Textilexport, der der Konkurrenz Chinas ausgesetzt ist.

Auch wenn es ein begrenztes Wachstum gab, führte die Liberalisierung zu scharfer wirtschaftlicher und sozialer Polarisierung und übte Druck auf die korporatistischen Strukturen aus, die unter Nasser und seinem tunesischen Gegenpart, Habib Bourguiba, aufgebaut worden waren. Anne Alexander weist darauf hin, dass unter Nasser den Arbeitern

[…] ein Sozialpakt angeboten wurde, mit dem sie im Gegenzug für die Aufgabe ihrer politischen Unabhängigkeit einige materielle Vorteile erhielten, wie subventioniertes Wohnen, Bildung, andere Sozialleistungen und relative Arbeitsplatzsicherheit. In der nasseristischen Rhetorik, insbesondere in ihrer letzten Phase, wurden die Arbeiter für ihren Beitrag zur nationalen Entwicklung idealisiert. Aber der nasseristische Staat zerschlug unabhängige Arbeiterorganisationen und schuf an ihrer Stelle einen offiziellen Gewerkschaftsbund, der der Regierung unterstellt war. [14]

Alexander fährt dann fort: „Die Reformen der 1990er Jahre und danach führten zu Rissen im nasseristischen System.“ Einerseits haben Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit in Ägypten zugenommen. Im Jahr 2010 berichtete die Internationale Arbeitsorganisation, dass 44 Prozent der Ägypter unterhalb der Armutsgrenze von 2 US-Dollar am Tag lebten. [15] Im Jahr davor lag laut einer Schätzung von Ahmad El-Naggar „die Arbeitslosigkeit […] bei durchschnittlich 26,3 Prozent und einige schätzen, dass diese Quote in der Altersstufe 15 bis 29 Jahre dreimal höher liegt“. [16] Die gesamte Region leidet unter steigender Arbeitslosigkeit, vor allem bei Jugendlichen. Die detaillierteren Untersuchungen der Weltbank selbst widersprechen ihren eigenen optimistischen Schlagzeilen. In einem Bericht, der ergreifenderweise auf den 15. Januar 2011 datiert ist, den Tag nach dem Sturz Ben Alis, heißt es:

Im Nahen Osten und in Nordafrika ist die Jugendarbeitslosigkeit mit 25 Prozent die höchste der Welt. Diese Statistik erzählt aber nicht die ganze Geschichte.

Forscher der Weltbank haben herausgefunden, dass die tatsächliche Zahl arbeitsloser Menschen im Alter von 15 bis 29 Jahren in der Region noch viel höher sein könnte. Viele junge Menschen, die weder eine Schule besuchen noch Arbeit haben, sind in den Statistiken nicht erfasst, weil sie keine Arbeit suchen.

Insbesondere männliche Jugendliche haben ernsthafte Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, viele sind unterbeschäftigt, arbeiten in der Schattenwirtschaft oder haben gar keine Arbeit. [17]

Auf der anderen Seite hat eine kleine Schicht Superreicher unglaublichen Reichtum angehäuft und verfügt über große Macht. Joel Beinin schreibt, dass die „Wirtschaftssekretäre“ in der Regierung von Ahmed Nasif, dem im Juli 2004 ernannten Ministerpräsidenten, „im Westen ausgebildete Hochschulabsolventen mit Doktortitel sind, die zum Gefolge des Präsidentensohns Gamal Mubarak gehören. Sie setzten eine zweite Privatisierungswelle durch und verfügten andere Maßnahmen zur Förderung von Direktinvestitionen aus dem Ausland, wozu die völlige Streichung von Einfuhrzöllen auf Textilmaschinen und Ersatzteile zählt“. [18] Die Revolution vom 25. Januar zwang sogar die New York Times, die wahre Natur dieser Liberalisierung offenzulegen:

Auf dem Papier wurde ein fast vollständig staatlich kontrolliertes Wirtschaftssystem in ein überwiegend freimarktwirtschaftliches System verwandelt. In der Praxis entstand laut ägyptischen und ausländischen Experten jedoch eine Art Vetternwirtschaft. Staatsbanken spielten die Königsmacher, gaben Familien, die die Regierung unterstützten, Kredite, die sie überlebensfähigen Unternehmen ohne den richtigen politischen Stammbaum verweigerten.

Ahmed El-Naggar, Leiter des Fachbereichs für Wirtschaftspolitik am Al-Ahram-Zentrum für politische und strategische Studien, sagte, dass Regierungsbeamte Staatsland zu Niedrigpreisen an politisch nahestehende Familien verkauften. Sie ermöglichten auch ausländischen Konzernen, Staatsbetriebe günstig aufzukaufen. Im Gegenzug, sagte er, erhielten sie Schmiergelder.

Gleichzeitig verlangte die Regierung von ausländischen Investoren, Jointventures mit ägyptischen Unternehmen einzugehen. Familien mit engen Beziehungen zur Regierungspartei übernahmen dann die ägyptische Hälfte dieser lukrativen Gemeinschaftsunternehmen. [19]

Das Symbol der ägyptischen Vetternwirtschaft war Ahmed Esz, der insbesondere dank seiner Freundschaft mit Gamal Mubarak ein privatisiertes Stahlunternehmen günstig aufkaufen konnte und am Ende zwei Drittel des ägyptischen Stahlmarkts kontrollierte. Er wurde auch Parlamentsabgeordneter und leitete den aggressiven Wahlkampf der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) für die schamlos gefälschten Parlamentswahlen vom November 2010. Sein tunesischer Gegenpart waren die Trabelsis, die angeheiratete Verwandtschaft Ben Alis, die ihre Familienverbindungen zur eigenen Bereicherung nutzten. Laut Transparency International kontrollierten der Ben-Ali- und der Trabelsi-Clan 30 bis 40 Prozent der tunesischen Wirtschaft, rund 10 Milliarden Dollar. Leila Trabelsi, die frühere Ehefrau des Präsidenten, wird beschuldigt, mit 1,5 Tonnen Goldbarren in ihrem Gepäck nach Dschiddah geflohen zu sein. [20]

Der Neoliberalismus im Nahen Osten brachte also nicht die Trennung von wirtschaftlicher und politische Macht, wie die abstrakte Vorstellung von der freien Marktwirtschaft nahelegt, sondern ihre Verschmelzung. Das war kein Staatskapitalismus mehr, jetzt erlaubten politische Beziehungen denen an der Spitze die Anhäufung riesigen privaten Reichtums. Deshalb richtete sich die Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen gegen die Führungsriege der Regime, wo sich die korrupte Durchdringung der Eliten so schamlos zeigte.

Mit der Weltwirtschaftskrise wurden die Schrauben angezogen. Juan Kornblihtt und Bruno Magro schreiben:

Die strukturelle Schwäche zeigte sich in ihrem ganzen Ausmaß in der Krise des Jahres 2008. Die Quellen, die den kleinen Aufschwung gespeist hatten, versiegten. Was Ägypten betrifft, sehen wir, dass die Geldüberweisungen von Auswanderern verglichen mit dem Jahr 2008 um 17 Prozent gesunken sind, der Tourismus verzeichnete nach einem Anstieg um 24 Prozent im Jahr 2008 einen Rückgang um 1,1 Prozent im Jahr 2009, und die Einkünfte aus dem Suezkanal sanken um 7,2 Prozent im Vergleich zu 2008, weil die Durchfahrten um 8,2 Prozent fielen und die Frachtmenge sich um 9 Prozent verringerte. Die Lage in Tunesien war ähnlich: Das Wachstum seines Bruttoinlandsprodukts verlangsamte sich von einem Anstieg um 6,33 Prozent im Jahr 2007 auf jeweils 4,5 Prozent und 3,1 Prozent in den Jahren 2008 und 2009, während der Warenexport um 25 Prozent abnahm, vor allem wegen sinkender Nachfrage nach Textilien und Kleidung und ölbasierten Produkten. [21]

Die Krise machte sich im Nahen Osten mit höherer Arbeitslosigkeit bemerkbar, insbesondere bei Jugendlichen. Aber eine besonders wichtige Rolle spielten die sprunghaft steigenden Lebensmittelpreise. Im Vorfeld des Finanzkrachs des Jahres 2008 kam es zu einem scharfen Inflationsanstieg, vor allem für Artikel des Grundbedarfs. Hermann Schwartz legt dar, dass dies einen Wendepunkt in der Entwicklung der Krise darstellte, als China aufhörte, Druck auf die Weltpreise durch eine Schwemme ständig billigerer Waren auszuüben. „Der Exporterfolg Chinas beinhaltete auch ein schnelles Wirtschaftswachstum und in der Folge einen höheren Bedarf an den Rohstoffen der Welt und an seinem eigenen Vorrat an angelernten Arbeitskräften. Die Rohstoffpreise fingen im Jahr 2004 an zu steigen und die chinesischen Löhne ab 2007. China begann auf diese Weise Inflation statt Deflation zu exportieren.“ [22]

Die Erholung nach der großen Rezession von 2008/2009 wird von einem ähnlichen Anstieg der Inflationsrate begleitet. Wie Schwartz darlegt, hat die steigende Nachfrage, insbesondere in China und auf den schnell wachsenden „aufstrebenden Märkten“ Asiens und Lateinamerikas, in diesen Inflationsepisoden eine Rolle gespielt, aber sie wurden noch erheblich verschärft durch Finanzspekulation. Höhere Lebensmittelpreise haben die Armen der Welt hart getroffen. Laut Michel Chossudovsky gab es:

[…] von 2006 bis 2008 einen drastischen Preisanstieg bei allen Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen und Mais. Der Reispreis verdreifachte sich innerhalb von fünf Jahren von etwa 600 US-Dollar pro Tonne im Jahr 2003 auf über 1.800 US-Dollar pro Tonne im Mai 2008. […] Der gegenwärtige Preisanstieg bei Getreide schlägt sich in einem 32-Prozent-Sprung im Lebensmittelpreisindex der FAO [Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen] in der zweiten Jahreshälfte 2010 nieder. [23]

Brotmangel und steigende Brotpreise spielten beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Streikwelle, die Ägypten ab dem Jahr 2006 erfasste und die Wegbereiter der Revolution vom 25. Januar 2011 wurde. Immer wieder wurden die Lebenshaltungskosten und die Privilegien der Elite von Demonstranten auf den Straßen des Nahen Ostens und Nordafrikas als Grund für ihren Protest genannt. Larbi Sadiki beschwor die potenziell brandgefährliche Situation, die sich in der Region entwickelte. Während des tunesischen Aufstands, der durch den Selbstmord von Mohammed Boasisi ausgelöst wurde und zum Sturz Ben Alis führte, schrieb er:

Nicht über den Koran oder Sajjid Kutb [den Anführer der Muslimbruderschaft], der in Abwesenheit angeklagt wird, für 9/11 verantwortlich zu sein, obwohl er seit 1966 tot ist, sollten sich die westlichen Sicherheitsexperten Sorgen machen. Sie sollten sich vielleicht Das Kapital beschaffen und sich mithilfe von Karl Marx einem Realitätscheck unterziehen, mal umdenken, zur Ernüchterung kommen, in einer Welt, die seit 9/11 von übermäßigem Sicherheitsdenken geplagt ist.

Von Tunesien und Algerien im Maghreb bis nach Jordanien und Ägypten im arabischen Osten besteht der wahre Terror, der das Selbstwertgefühl auffrisst, die Gemeinschaft schädigt und den Schritt ins Erwachsenenleben einschließlich der Heirat verhindert, darin, sozioökonomisch an den Rand gedrängt zu werden.

Die Armeen der „Chobsiste“ (der Arbeitslosen des Maghreb), die jetzt auf den Straßen und in den Elendsvierteln von Algiers und Kasserine marschieren und Brot fordern und das schon morgen in Amman, Rabat, Sanaa, Ramallah, Kairo und Südbeirut tun könnten, bekämpfen den Terror der Arbeitslosigkeit nicht mit Ideologie. Sie brauchen gar keine Ideologie. Ihre Ideologie heißt Arbeitslosigkeit. Ihre Geografie ist der Rand. Und bis jetzt sind spontane, friedliche Proteste und Selbstverletzung ihre Waffen. Sie sind „Die Elenden“ der Gegenwart. [24]

Wichtig ist, dass der Nahe Osten und Nordafrika nicht die einzige Region sind, in der die Krise zu bedeutenden Kämpfen führt, auch wenn die wirtschaftlichen Mechanismen und der politische Kontext jeweils unterschiedlich sind. Die Verbreitung der Sparpolitik in Europa hat im Jahr 2010 zu erheblichem Widerstand geführt, von den Generalstreiks in Griechenland bis zu den Studentenunruhen in Großbritannien. Die Tatsache, dass Fianna Fáil, die historische Partei des südirischen Kapitalismus, bei den landesweiten Wahlen im Februar 2011 fast unterging und Sinn Féin und die Vereinigte Linke die Hauptopposition zur neuen Koalitionsregierung aus Fine Gael und Labour bilden, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Lage nicht gerade „politischer Stillstand“ bedeutet.

Aber eine der bemerkenswertesten politischen Entwicklungen bisher in diesem Jahr war der Ausbruch einer Massenbewegung in Wisconsin, die den Gouverneur Scott Walker an einem drastischen Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst zu hindern versuchte und daran, das Recht der Staatsangestellten auf kollektive Tarifverhandlungen abzuschaffen. Sein Vorstoß schloss sich unmittelbar den durchschlagenden Erfolgen für die Republikaner bei den Zwischenwahlen im vergangenen Herbst mithilfe der Tea-Party-Bewegung an. Jetzt sitzen Rechte wie Walker in Regierungen der Bundesstaaten – und im Kongress in Washington – und versuchen den Traum der Tea Party von der deutlichen Beschneidung der „großen Regierung“ umzusetzen. Wie Megan Trudell bereits in der letzten Ausgabe dieses Magazins mutmaßte, hat das zur scharfen sozialen und politischen Polarisierung geführt, nicht nur in Wisconsin, sondern auch in anderen Staaten des Mittleren Westens, wo ähnliche Angriffe auf den öffentlichen Dienst und die gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft im Gange sind. [25]

Der Gegensatz zwischen den riesigen Demonstrationen, mit denen das Kapitol in Madison, Wisconsin, blockiert wurde, und den relativ kleinen Ansammlungen, die die Tea Party als Antwort darauf auf die Beine brachte, sind ein Zeichen für die Probleme, vor denen die Sparoffensive – eingeleitet von den Republikanern, aber von Barack Obama auf gemäßigtere Weise weitergeführt – steht. Nach einer Gallup-Umfrage sind 61 Prozent der US-Amerikaner gegen den Plan von Walker, wobei von denen, die weniger als 24.000 US-Dollar im Jahr verdienen, 74 Prozent dagegen sind, von denen mit 24.000 bis 59.000 US-Dollar im Jahr 63 Prozent und mit 60.000 bis 89.000 US-Dollar 53 Prozent. Nur bei denen mit 90.000 US-Dollar und mehr Einkommen im Jahr sind 50 Prozent dafür. Ein Blogger der Washington Post kommentierte, diese Statistiken legten den Schluss nahe, dass die republikanische Strategie, die Beschäftigten des öffentlichen Diensts als die neuen „Wohlfahrtsköniginnen“ anzugreifen, nach hinten losgeht:

Ich denke, es lässt sich zu Recht sagen, dass Walkers Gesetzesvorstoß zur Abschaffung seit Langem anerkannter Verhandlungsrechte und das breite Echo in den Medien der Debatte eine andere Richtung gaben und den Blick der Öffentlichkeit neu ausrichteten. Auf diese Weise verloren die Rechten ihre bisherige Meinungsführerschaft bei dem Thema der öffentlich Beschäftigten. Das heißt nicht, dass die Rechten in mancher Hinsicht nicht mehr die Oberhand hätten. Und Walker könnte am Ende sogar gewinnen. Aber die Landschaft hat sich eindeutig und auf unerwartete Weise verändert. [26]

Nun ist die entstehende Bewegung gegen die Sparpolitik in den Vereinigten Staaten nicht unmittelbar mit den arabischen Aufständen zu vergleichen. Nicht nur ist der Spielraum für das materielle Überleben viel größer, aber es gibt auch Vermittlungsstrukturen, wozu insbesondere die Demokratische Partei und die Gewerkschaftsbürokratie gehören, deren Fehlen in der arabischen Welt den Spielraum für Manöver der herrschenden Klasse deutlich einschränkt. Trotz der Differenzen zwischen den jeweiligen politischen und sozialen Landschaften sind die Druckwellen der Krise weltweit zu spüren. [27]
 

Eine Krise des Westens

Es gab Momente in der Geschichte, wo Revolutionen sich in einer Region und über die Welt wie ein Steppenbrand verbreiteten. Diese Momente sind nicht sehr häufig. Wir denken an das Jahr 1848, als die Revolution in Frankreich ganz Europa erfasste. Es gab auch 1968, wo die Demonstrationen der „Neuen Linken“ über die ganze Welt hinwegfegten: In Mexiko-Stadt, Paris, New York und hunderten anderen Städten fanden von Marxisten oder anderen Radikalen organisierte Revolutionen gegen den Krieg statt. In Prag zerschlugen die Sowjets eine Neue Linksregierung. Selbst Chinas „Große Proletarische Kulturrevolution“ ließe sich mit etwas gutem Willen noch dazu zählen. Im Jahr 1989 folgte den Unruhen, ausgelöst von Ostdeutschen, die in den Westen wollten, der Aufstand in Osteuropa, der zum Sturz der sowjetischen Herrschaft führte. […] Ähnliche soziale und kulturelle Bedingungen erzeugen ähnliche Ereignisse. Das Beispiel eines Landes macht Schule und verbreitet sich weiter. Das ist im Jahr 2011 geschehen und es geschieht immer noch. [28]

Das sind nicht die Worte eines Marxisten, sondern die von George Friedman, dem Gründer der US-amerikanischen Website für „strategische Aufklärung“, Stratfor. Das Ausmaß der Revolutionen und Aufstände in der arabischen Welt rechtfertigt diese geschichtlichen Vergleiche. Es gibt jedoch einen sehr deutlichen Unterschied, durch den sich die Ereignisse dieses Jahres von ihrem unmittelbaren Vorläufer im Jahr 1989 absetzen. Die Revolutionen, die die stalinistischen Regime in Ost- und Zentraleuropa stürzten, stärkten den westlichen Kapitalismus im Allgemeinen und den US-amerikanischen Imperialismus im Besonderen. Im Gegensatz dazu sind die arabischen Revolutionen – und vor allem die Umwälzungen in Ägypten – ein auf das Herz des US-amerikanischen Imperialismus zielender Dolch.

Die Gründe dafür erklärt erneut Friedman sehr gut:

Als Ägypten ein an die Sowjetunion angelehnter nasseristischer Staat war, war die Welt ein völlig anderer Ort als vor Nasser. Als Sadat seine Außenpolitik änderte, veränderte sich auch die Welt. Wenn die Außenpolitik Sadats geändert wird, wird sich auch die Welt wieder ändern. Ägypten ist eins der Länder, dessen Innenpolitik nicht nur für die eigene Bevölkerung von Bedeutung ist. [29]

Ägypten ist das größte Land der arabischen Welt, Kairo ihre Kulturhauptstadt. Wegen Ägyptens entscheidender geografischer Lage an der Kreuzung von Maghreb, Maschrek (dem arabischen Osten), der Golfregion und Afrika südlich der Sahara ziehen Veränderungen in Ägypten weite Kreise. Nassers Revolution von oben und sein Zusammenstoß mit dem westlichen Imperialismus waren nicht nur der Anstoß für eine Welle panarabischen Nationalismus, sondern trugen auch dazu bei, die Dritte Welt als politische Einheit zu schaffen – postkoloniale Staaten, die (ohne Friedman zu nahe treten zu wollen) sich im Kalten Krieg weder mit den USA noch der Sowjetunion verbinden wollten.

Die Rechtswende Sadats Anfang der 1970er Jahre in Ägypten hatte ähnlich weitreichende Folgen. Diese Wende war nicht nur eine wirtschaftliche – infitah. Ebenso wichtig war die geopolitische Revolution, die ihre Weihen mit dem Friedensvertrag erhielt, den Sadat mit Israel im März 1979 unterzeichnete, was zum Abzug der Israelis aus dem Sinai führte. In den vorhergehenden 30 Jahren hatte Ägypten vier Kriege mit Israel geführt, der jüngste hatte im Oktober 1973 stattgefunden und Israel kalt erwischt. Frieden mit Ägypten schützte Israels Südflanke. Noam Chomsky formulierte das so: „Vor allem wurden ägyptische Streitkräfte aus dem arabisch-israelischen Konflikt herausgehalten, sodass Israel seine Aufmerksamkeit (und seine militärischen Kräfte) auf die besetzten Gebiete und die Nordgrenze konzentrieren konnte.“ Der Frieden im Sinai, der eine ganze Generation lang währte, ermöglichte es den israelischen Streitkräften, den Krieg im Libanon und im Gazastreifen zu führen. [30]

Das Ägypten unter Sadat und Mubarak wurde, neben Israel und Saudi-Arabien, zur Basis eines ganzen Bündnisgeflechts, mit dessen Hilfe die USA ihre Hegemonie über den Nahen Osten aufrechterhielten. Das Regime Mubarak bewies seinen Nutzen für Washington auf verschiedene Weise: Es half dabei, das Bündnis gegen Saddam Hussein im Golfkrieg von 1991 zu schmieden; es arbeitete mit den USA nachrichtendienstlich gegen die Islamisten zusammen (über Wikileaks veröffentlichte Depeschen zeigen, wie sehr die US-amerikanische Botschaft in Kairo Omar Suleiman schätzte, Mubaraks Geheimdienstchef und Vizepräsident für wenige Tage); die USA überführten Gefangene nach Ägypten, die dort gefoltert wurden (Suleiman scheint dabei buchstäblich selbst Hand angelegt zu haben); [31] und Ägypten hielt die Blockade des Gazastreifens aufrecht. Im Gegenzug erhielten die ägyptischen Streitkräfte, die nach wie vor die Hauptstütze des Regimes waren, ihre jährliche „strategische Rente“ von 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe.

Aber so wichtig die Achse USA–Ägypten auch ist, sind die Beziehungen zwischen dem Westen und den arabischen Diktaturen noch viel umfassender. Sie zeigten sich an den vielfältigen Skandalen, die die Revolutionen ans Licht brachten. Das prominenteste Opfer bisher ist Michèle Alliot-Marie, bis vor Kurzem Außenministerin Frankreichs, die innige Beziehungen mit dem Regime Ben Ali pflegte und entlassen wurde, als das ans Licht kam. Die Zeitung Le Monde kommentierte (vielleicht etwas zu großherzig gegenüber Alliot-Marie, die über ihre betagten Eltern auch in tunesische Immobiliengeschäfte verwickelt war):

Von Tunesien aus betrachtet, scheinen die Schwierigkeiten von Michèle Alliot-Marie fast zweitrangig. In der Ära Ben Ali waren franko-tunesische Bekanntschaften so zahlreich, so üblich, dass sie Teil der tunesischen Landschaft wurden. Es gab in diesen vergangenen zwanzig Jahren eine „französische Tradition der Unterstützung für den Diktator“, sagt Ridhal Kéfi, Herausgeber des Online-Magazins Kapitalis, das seinen Sitz in der tunesischen Hauptstadt hat. Wenn „MAM“ erwischt wurde, dann weil sie wie viele andere der Atmosphäre des stillschweigenden Einverständnisses zwischen Paris und Tunis nachgegeben hat. [32]

Währenddessen waren Großbritannien und die USA sehr damit beschäftigt, einen weitaus weniger aussichtsreichen Kandidaten für den neoliberalen Umbau zu hofieren, nämlich Libyen, nachdem Gaddafi im Jahr 2003 mit ihnen ins Reine gekommen war. Dabei wurde das Ansehen der London School of Economics (LSE) und der Name Ralph Milibands durch die Beziehung, die das „Zentrum für globale Regierungsführung“ beim LSE mit Seif al-Islam Gaddafi einging, verspielt. [33] Anthony Giddens, ehemaliger LSE-Direktor und Ideologe des „Dritten Wegs“, machte sich bei einer Spritztour nach Libyen im Jahr 2007 lustig: „Wird es echten Fortschritt erst dann geben, wenn Gaddafi von der Bühne abtritt? Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. […] Meine Idealvorstellung von Libyen in zwei oder drei Jahrzehnten wäre ein Norwegen Nordafrikas: blühend, egalitär und nach vorne blickend.“ [34]

Aber das Bestreben, Gaddafis Regime in die Weltwirtschaft einzugliedern, reichte sehr viel weiter. Im selben Jahr berichtete Business Week, dass Michael Porter, Guru der Harvard Business School und Verfasser des Buchs The Competitive Advantage of Nations [Der Wettbewerbsvorteil der Nationen], an einem Projekt der Bostoner Beraterfirma Monitor Group mitgearbeitet hatte, um in Libyen „eine neue, unternehmensfreundliche Elite zu schaffen“. [35] Unter den US-amerikanischen intellektuellen Größen, die die Monitor Group zu einer Pilgerfahrt nach Tripolis zwecks Austauschs von Banalitäten mit den Gaddafis mobilisierte, befanden sich auch Francis Fukuyama, Richard Perle, Robert Putnam, Joseph Nye und Benjamin Barber. [36]

Das Ausmaß westlichen Engagements sogar mit jener arabischen Diktatur, die auf die längste Geschichte von Konfrontationen mit den USA und ihren Verbündeten zurückblickte, mag die Heftigkeit erklären, mit der Barack Obama und David Cameron Gaddafi angriffen, als der Aufstand gegen ihn begann – und vielleicht auch die Eile Camerons, die Fahne des „liberalen Eingreifens“ zu hissen, die durch George W. Bushs und Tony Blairs militärisches Abenteurer im Irak so diskreditiert war. Indem sie dazu beitragen, Gaddafi den Gnadenstoß zu versetzen, könnten die Westmächte Zugriff auf einen wichtigen Ölproduzenten bekommen, aber auch nachträglich Ansehen gewinnen für ihre Unterstützung des Kampfs für Demokratie in der arabischen Welt.

Es ist bemerkenswert, wie die Phrasen vom „humanitären Eingreifen“ und der „Schutzverantwortung“ wiederbelebt wurden, als gäbe es die Katastrophen im Irak und in Afghanistan gar nicht. Die Vorgeschichte des engen Bündnisses der Westmächte mit den arabischen Diktaturen ist Beleg genug dafür, dass sie in Libyen nicht zur Unterstützung der Revolution eingreifen, sondern um ihre Vorherrschaft im Nahen Osten und in Nordamerika wiederzuerrichten.

Aber sie müssen noch einen hohen Berg erklimmen, wenn sie ihr Ansehen in der arabischen Welt wiederherstellen wollen. In einer Studie des Pew Global Attitudes Project (Institut zur weltweiten Erforschung von Einstellungen) aus dem Jahr 2010 über die Haltung zu den USA rangierte Ägypten am unteren Ende der Skala: Nur 17 Prozent der Befragten hatten eine positive Einstellung zu Amerika, während es im Jahr 2006, als die Umfrage in Ägypten zum ersten Mal durchgeführt wurde, noch 30 Prozent waren (interessanterweise lag die Zustimmung in der Türkei und in Pakistan ebenfalls nur um die 17 Prozent). [37] Obwohl das ägyptische Militär und die Muslimbruderschaft sich für die Unantastbarkeit des Friedensvertrags mit Israel verbürgt haben, wird jede künftige ägyptische Regierung, die, vorsichtig gesagt, empfänglicher für die öffentliche Meinung ist als die Mubaraks, weniger den Wünschen der USA entsprechen.

Zerschrammt von dem Debakel im Irak und der Wirtschaftskrise und besorgt über den schnellen Aufstieg Chinas zeigen die US-Politiker ein reumütiges Bewusstsein von den Grenzen ihrer Macht. Vierzehn Tage nach Mubaraks Sturz wählte der scheidende Verteidigungsminister Robert Gates die Militärakademie West Point für seine Abschiedsrede aus, wo im Juni 2002 George W. Bush zum ersten Mal seine „Doktrin“ darlegte, wonach die USA ein Recht auf vorbeugende Angriffe hätten. Gates erklärte: „Meiner Ansicht nach sollte jeder künftige Verteidigungsminister, der dem Präsidenten rät, in großem Umfang Bodentruppen nach Asien oder in den Nahen Osten oder nach Afrika zu entsenden, ‚sich auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen‘, wie General MacArthur es einst feinsinnig formulierte.“ [38]

Gates dämpfte auch sofort Camerons Begeisterung, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten. Obwohl die Regierung Obama schließlich den Beschluss des UN-Sicherheitsrats unterstützte, mit dem der Einsatz von Kampfflugzeugen gegen Gaddafi genehmigt wurde, zeigte sich deutlich, dass die USA nicht sehr scharf waren auf ein militärisches Eingreifen in Libyen. Obamas Schwenk mag ein Ausgleich für sein Stillhalten bei der blutigen Niederschlagung der Proteste in Bahrain und im Jemen gewesen sein. Das militärische Eingreifen Saudi-Arabiens in Bahrain stellt die kollektive Ablehnung der Politik der geschwächten USA durch die Golfstaaten dar, nämlich der Begrüßung der Demokratiebewegungen als Hebel für die Durchsetzung neoliberaler „Reformen“. Die Financial Times kommentierte Gates Rede so:

Die USA sind heute, nach zehn Jahren Krieg, ein anderes Land. Sie kämpfen mit Rekorddefiziten und „Interventionsmüdigkeit“, wie Richard Haass, Präsident des Think-Tanks Council on Foreign Relations, sagte.

In solch einem Zusammenhang scheint Mr Gates Statement über den Wahnsinn, US-amerikanische Bodentruppen nach Übersee zu entsenden, dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen. „Das ist die seltene Anerkennung von etwas, das nur zu wahr ist, aber sehr selten von jemandem seiner Statur ausgesprochen wird“, sagte Aaron David Miller, ein früherer Beamter des Außenministeriums. [39]

Die Vorsicht der USA steht in deutlichem Gegensatz zur Panik in Israel, dessen strategische Position möglicherweise sehr ernsthaft durch die Revolution vom 25. Januar gefährdet ist. Nach dem Sturz Mubaraks gab der Chef einer israelischen Ideologienschmiede zu: „Unsere gesamte Analysestruktur ist soeben zusammengebrochen.“ [40] Ari Shavit, Kolumnist der angeblich liberalen Tageszeitung Haʾaretz, schäumte vor Wut – über Washington:

Die Position des Westens spiegelt die Übernahme von Jimmy Carters Weltanschauung wider: zu Kreuze kriechen vor geistig umnachteten, starken Tyrannen und Fallenlassen der Gemäßigten, Schwächeren. […] Carters Verrat am Schah [in der iranischen Revolution von 1978/79] brachte uns die Ajatollahs und wird uns schon bald Ajatollahs mit Atomwaffen bringen. Die Folge des Verrats des Westens an Mubarak wird mindestens genauso schwer sein. Es handelt sich nicht nur um den Verrat an einem Staatsführer, der treu auf der Seite des Westens stand, der Stabilität diente und zur Mäßigung beitrug. Das ist ein Verrat an jedem Verbündeten des Westens im Nahen Osten und den Entwicklungsländern. Die Botschaft ist unmissverständlich: Das Wort des Westens ist keinen Cent wert; ein Bündnis mit dem Westen ist kein Bündnis. Der Westen hat die Orientierung verloren. Der Westen ist keine führende und stabilisierende Kraft mehr auf der Welt.

Die arabische Befreiungsrevolution wird den Nahen Osten grundlegend ändern. Die Beschleunigung des Untergangs des Westens wird die Welt verändern. Eine Folge wird die Hinwendung zu China, Russland und zu Regionalmächten wie Brasilien, die Türkei und der Iran sein. Eine weitere Folge wird eine Reihe internationaler Konflikte sein, weil der Westen seine Fähigkeit zur Abschreckung verloren hat. Doch die übergreifende Folge wird der Zusammenbruch der nordatlantischen politischen Vormachtstellung sein, und das nicht erst in Jahrzehnten, sondern bereits in wenigen Jahren. Wenn die Vereinigten Staaten und Europa Mubarak jetzt beerdigen, beerdigen sie mit ihm die Macht, die sie einst hatten. Auf dem Tahrirplatz von Kairo stirbt das Zeitalter der westlichen Hegemonie. [41]
 

In den Stromschnellen der Revolution

Gerade der schrille Ton in Shavits Angriff verrät die Furcht eines Klientenstaats, dass auch er eines Tages von der imperialen Macht „verraten“ werden könnte. Tariq Alis Urteil ist dagegen sehr viel ausgewogener: „Die US-amerikanische Hegemonie in der Region ist angeschlagen, aber nicht zerstört. Die nach dem Sturz der Despoten entstandenen Regime werden vermutlich unabhängiger sein, mit einem demokratischen System, das frisch und subversiv ist, und hoffentlich mit neuen Verfassungen, die sozialen und politischen Erfordernissen genügen. Aber das Militär in Ägypten und Tunesien wird dafür sorgen, dass nichts überstürzt geschieht.“ [42]

Um dieses Urteil richtig einordnen zu können, müssen wir uns die Revolutionen selbst etwas genauer ansehen. In welchem Sinne können diese Erhebungen überhaupt als Revolutionen angesehen werden? Trotzki benutzte im Vorwort zu seiner großen Geschichte der Russischen Revolution die berühmte Formulierung: „Die Geschichte der Revolution ist für uns vor allem die Geschichte des gewaltsamen Einbruchs der Massen in das Gebiet der Bestimmung über ihre eigenen Geschicke.“ [43] Nach diesem Kriterium können wir die Ereignisse in Tunesien, Ägypten und Libyen getrost als Revolutionen bezeichnen. Alle wurden durch die Initiative der Massen von unten angetrieben. Vor allem in Ägypten konnte die ganze Welt der großartigen Selbstorganisation auf dem Tahrirplatz zusehen.

Wenn wir sagen, dass diese Revolutionen von der Selbstorganisation der Massen ausgingen, heißt das aber nicht, sie wie Chamseddine Mnasri in diesem Magazin als rein spontane Ereignisse zu beschreiben. Kein Wunder, dass gerade Michael Hardt und Toni Negri zu den nachdrücklichsten Vertretern dieser Behauptung gehören:

Diese Kämpfe auch nur als „Revolutionen“ zu bezeichnen, scheint einige Kommentatoren in die Irre zu führen, die davon ausgehen, dass der Fortgang der Ereignisse der Logik von 1789 oder 1917 folgen muss, oder einigen anderen europäischen Aufständen der Vergangenheit gegen Könige und Zaren. […] Die Organisation der Revolten gleicht dem, was wir seit über einem Jahrzehnt in anderen Gegenden der Welt gesehen haben, von Seattle bis Buenos Aires und Genua und Cochabamba in Bolivien: ein horizontales Netzwerk ohne eine einzelne, entscheidende Führungsperson. Traditionelle Oppositionsgruppen dürfen in diesen Netzwerken mitarbeiten, sie aber nicht leiten. Außenstehende Beobachter […] verstehen nicht, dass […] die Multitude sich selbst ohne ein Zentrum organisieren kann – dass die Einrichtung einer Führung oder die Kooptation durch eine traditionelle Organisation ihre Macht untergraben würde. [44]

Obwohl Hardt und Negri nur zu gerne die Neuheit dessen verkünden, was sie deshalb partout nicht als Revolution bezeichnen wollen, trifft doch Antonio Gramscis Bemerkung von 1930 voll und ganz auf ihre Argumentation zu: „Jedoch muss hervorgehoben werden, dass es in der Geschichte die ‚reine‘ Spontaneität nicht gibt. […] In der ‚spontansten‘ Bewegung sind die Elemente ‚bewusster Führung‘ einfach unkontrollierbar, sie haben kein feststellbares Zeugnis hinterlassen.“ [45] Es ist sogar recht einfach, die „Elemente ‚bewusster Führung‘“ in den arabischen Revolutionen aufzuspüren. In Tunesien war die Führung des Gewerkschaftsdachverbands Union Generale Tunisienne du Travail (UGTT) zwar eng verflochten mit dem Regime von Ben Ali, aber Gewerkschaftsgliederungen und Regionalgewerkschaften wurden im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends zunehmend unruhig. Sie nahmen teil an der sich entwickelnden Erhebung, die sich im Land verbreitete, und zwangen die Gewerkschaftsführung, für den 14. Januar einen Generalstreik auszurufen. [46]

Die ägyptische Revolution vom 25. Januar war durch ein Jahrzehnt von Bewegungen vorbereitet worden – in Solidarität mit der zweiten palästinensischen Intifada, gegen den Irakkrieg, für Demokratie in Ägypten selbst –, die ihren Höhepunkt in einer Streikwelle fanden, die Beinin als „die größte soziale Bewegung Ägyptens des letzten halben Jahrhunderts bezeichnete. Über 1,2 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Familien waren an Aktionen beteiligt.“ [47] Der erste „Tag der Wut“ am 25. Januar war von Aktivisten organisiert worden, die an diesen verschiedenen Bewegungen beteiligt waren – Menschenrechtsaktivisten, Liberale, linke Nasseristen und revolutionäre Sozialisten. Als sich die Lage auf dem Tahrirplatz zuspitzte, kamen Jugendkader der Muslimbruderschaft hinzu, auch wenn die offizielle Führung noch bremste.

Dass die Revolution vom 25. Januar von kleinen Aktivistenkreisen ausgelöst und organisiert wurde, erklärt allerdings nicht, warum die Demonstrationen Ende Januar zu einem Massenaufstand führten, wo doch zahlreiche frühere Proteste, zu denen dasselbe Milieu aufgerufen hatte, nur wenige hundert oder im besten Fall ein paar tausend Menschen anzogen. Die Ballung von Unzufriedenheit und das Beispiel von Tunesien bietet eine Erklärung für diesen Unterschied, ebenso wie die Nachwirkung der Wahlen vom November 2010, die so offensichtlich gefälscht waren, dass die Opposition aus Islamisten und Nasseristen, die in den früheren Parlamenten vertreten war, ihre Kandidatur im zweiten Wahlgang angewidert zurückzog. Aber die Tatsache, dass eine Revolution nicht vorhersagbar ist, ist nichts Neues: Bekanntermaßen wurde Lenin vom Sturz des Zaren im Februar 1917 völlig überrascht. Die Dynamik der ägyptischen Erhebung ist weniger ein Beleg für den schwärmerischen Aufstand der zentrumslosen Multitude, sondern vielmehr für das, was Gramsci einen „dialektischen Prozess“ nannte, „in dem die spontane Bewegung der revolutionären Massen und der organisierende und leitende Wille des Zentrums zusammenlaufen“. [48]

Zu Beginn des ägyptischen Aufstands war das „Zentrum“ zugleich ziemlich klein und politisch sehr gemischt. Hardts und Negris Theorie von der Multitude lässt sich insofern auf die arabischen Revolutionen anwenden, als die treibenden Bewegungen sozial und politisch relativ wenig ausdifferenziert waren. Das ist aber, wie schon gesagt, ein gängiges Muster in der Anfangsphase von Revolutionen. Das gilt auch für die begrenzten Forderungen der Erhebungen: die Absetzung der autokratischen Herrscher und die Beseitigung der Regime, an deren Spitze sie standen.

Trotzki schrieb: „Die Geschichte hat [...] nicht bloß soziale Revolutionen aufzuweisen, die das Feudalregime durch das bürgerliche ersetzten, sondern auch politische, die, ohne die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft anzutasten, die alte herrschende Spitze hinwegfegten (1830 und 1848 in Frankreich, Februar 1917 in Russland u. a.).“ [49] Was wir bisher in der arabischen Welt gesehen haben, waren politische, nicht soziale Revolutionen, und zudem solche, die zunächst einmal Herrscher und nicht ihre Regime gestürzt haben. Daher George Friedmans anfänglicher Versuch, Mubaraks Sturz zu entzaubern:

Was da geschah, war keine Revolution. Die Demonstranten haben Mubarak nicht gestürzt, und schon gar nicht das Regime. Was dort passiert ist, war ein Militärputsch, der unter dem Deckmantel der Proteste Mubarak aus dem Amt vertrieben hat, um das Regime zu retten. Als sich am 10. Februar zeigte, dass Mubarak nicht freiwillig abdanken würde, zwangen die Militärs ihn in einer Art Putsch zum Rücktritt. Nach seiner Entfernung aus dem Amt übernahm die Armee das Regime, gründete den Militärrat und übernahm die Kontrolle über wichtige Ministerien. Das Regime hatte sich schon immer auf die Armee gestützt. Was am 11. Februar geschah, war, dass die Militärs unmittelbar die Kontrolle übernahmen. [50]

Der Kern Wahrheit in dieser Behauptung liegt darin, dass in Tunesien wie in Ägypten die Armee einschritt, um den Präsidenten zu entmachten und die Ordnung wiederherzustellen. Zudem spielte sich Mubaraks Sturz vor dem Hintergrund von Konflikten zwischen ihm und der Armee über die präsidiale Nachfolge ab. Im September 2008 berichtete Margaret Scobey, Botschafterin der USA in Ägypten, in einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche:

Nach Ansicht von Kontakten liegt die Machtbasis des Präsidentensohns Gamal Mubarak in der Geschäftswelt, nicht beim Militär. XXXXXXXXXX sagte, Offiziere hätten ihm kürzlich erzählt, dass die Armee Gamal nicht unterstützt, und wenn Mubarak im Amt stirbt, würde die Armee lieber selbst die Macht übernehmen, als Gamal als Nachfolger seines Vaters zu sehen. Analysten waren sich aber auch einig, dass die Armee es zulassen würde, dass Gamal die Macht durch eine Wahl übernimmt, wenn Präsident Mubarak diesen Prozess absegnet und faktisch Gamal die Machtherrschaft [sic!] überträgt. XXXXXXXXX meinte, dass das Regime, nachdem Gamal im Jahr 2002 in der NDP aktiv geworden war, die Reformer im Kabinett von 2004 ermächtigte, mit Privatisierungen zu beginnen, die die wohlhabenden Geschäftsleute um Gamal stärkten. Seiner Schätzung nach besteht das Ziel des Regimes darin, für Gamal als Ausgleich für seine mangelnde Legitimation in der Armee eine Machtbasis in der NDP zu schaffen, die sich auf das Unternehmertum stützt. Eine notwendige Begleiterscheinung dieser Strategie, behauptete er, war, dass das Regime den wirtschaftlichen und politischen Einfluss der Armee schwächte, damit es Gamals Weg in die Präsidentschaft nicht blockieren konnte. [51]

Gilbert Achcar hat darauf hingewiesen, dass die Macht der Armee als Institution der ägyptischen und der tunesischen herrschenden Klasse und den imperialistischen Westmächten Raum zum Manövrieren gab, den sie in Libyen nicht hatten. Im Fall von Libyen hat Gaddafis systematische Politik der Aushöhlung des Staatsapparats und seine stark auf Familienmitglieder zugeschnittene Selbstherrschaft dazu geführt, dass zu seiner Entfernung aus dem Amt ein bewaffneter Aufstand und die Zerstörung des bestehenden Staats erforderlich ist. [52] Die arabischen Diktaturen haben faktisch sehr unterschiedliche Formen angenommen, von ziemlich komplexen und institutionalisierten Regimen wie Ägypten, die in den vergangenen Jahren etwas Raum für eine legale Opposition boten, bis zu viel stärker personalisierten autokratischen Herrschaftsformen, in denen häufig die Herrschaft einer Familie mit einer konfessionellen Spaltung verknüpft wurde, so zum Beispiel in Saudi-Arabien, wo eine Monarchie, die zwischen den alternden Söhnen Ibn Sauds transferiert wird, mit der wahhabitischen Version des sunnitischen Islams begründet wird, und dem „republikanischen“ Syrien, in dem die Präsidentschaft erfolgreich von dem Vater auf den Sohn übertragen wurde und von der Minderheit der Aleviten des schiitischen Islams getragen wird.

Wie Libyen zeigt, sind die Familienautokratien besonders harte Nüsse. Der saudische Innenminister Prinz Nadschef sagte im Jahr 2003 zu Reformern: „Was wir mit dem Schwert erobert haben, das halten wir auch mit dem Schwert.“ [53] König Abdullah war hinreichend besorgt über die Volksbewegungen im benachbarten Bahrain und Jemen und die Anzeichen von Dissens in seinem eigenen Reich, um nach seiner Rückkehr von einer Erholungskur am 23. Februar die Freigabe von 36 Milliarden US-Dollar für „Sozialinvestitionen“ zu verkünden. [54] Am 14. März marschierte aber die saudische Nationalgarde in Bahrain ein, nachdem Demonstranten die örtliche Bereitschaftspolizei überwältigt hatten.

Die Unterschiede in der Staatsform sind wichtig, so wie die Spaltungen in den jeweiligen Regimen, weil sie den Rahmen für einen möglichen Wandel in den verschiedenen Ländern vorgeben. Aber sie ändern nichts daran, dass der entscheidende Faktor in den arabischen Revolutionen mit Trotzkis Worten „der gewaltsame Einbruch der Massen in das Gebiet der Bestimmung über ihre eigenen Geschicke“ ist. Trotzki fügte hinzu:

Die Massen gehen in die Revolution nicht mit einem fertigen Plan der gesellschaftlichen Neuordnung hinein, sondern mit dem scharfen Gefühl der Unmöglichkeit, die alte Gesellschaft länger zu dulden. […] Der grundlegende politische Prozess der Revolution besteht eben in der Erfassung der sich aus der sozialen Krise ergebenden Aufgaben durch die Klasse und der aktiven Orientierung der Masse nach der Methode sukzessiver Annäherungen. [55]

Trotzki hob ein wesentliches Muster von Revolutionen hervor: Sie entwickeln sich zwar um wichtige Episoden, bei denen ausgefochten wird, wer die Kontrolle über die Staatsmacht erhält, sind jedoch Prozesse, die sich mit der Zeit entwickeln. Die russische Revolution von 1917, die acht Monate dauerte, von Februar bis Oktober, war tatsächlich sehr kurz. Die große Französische Revolution dauerte über fünf Jahre, von der Erstürmung der Bastille im Juli 1789 bis zum „Thermidor“, dem Putsch vom Juli 1794, während die deutsche Revolution fast ebenso lange, von November 1918 bis Oktober 1923, dauerte. [56] Die verschiedenen Phasen dieser Prozesse mit ihren Offensiven und Rückzügen, Siegen und Niederlagen für die Kräfte der Revolution und Konterrevolution und für Linke und Rechte im revolutionären Lager selbst, sind ein Lernprozess für die Massen. Die „sukzessiven Annäherungen“, die sie auf der Suche nach einer Lösung für ihre Probleme verfolgen, können zur schrittweisen Radikalisierung der Massen und einer entscheidenden Überleitung der politischen Macht führen, was beides Voraussetzungen für die soziale Revolution sind.

Das ist aber kein notwendiges Ergebnis. Am nächsten kommt dem Prozess in der arabischen Revolution die irakische Revolution von 1958 bis 1963, die durch den Sturz der Monarchie durch nationalistische Armeeoffiziere unter General Abd al-Karim Kassim eingeleitet wurde, aber im Gegensatz zu Ägypten im Jahr 1952 zu einer allgemeinen Radikalisierung führte, die vor allem der Kommunistischen Partei zugute kam und ihren Einfluss in der Armee selbst erheblich stärkte. Im Mai 1959 scheute die Parteiführung allerdings davor zurück, die Macht zu übernehmen – teils auf Druck aus Moskau, das Kassim wie Nasser als Verbündeten im Kalten Krieg sah. In der Folge wurde die Bewegung demobilisiert und zersplittert, und die Baath-Partei konnte die Initiative ergreifen. Sie organisierte mit Unterstützung des CIA im Februar 1963 einen Putsch und stürzte Kassim. Die Kommunisten selbst wurden blutig unterdrückt. [57]

Die Behauptung, dass Mubarak von den USA und der Armee aus dem Amt entfernt wurde, um eine weitere Radikalisierung zu verhindern, ist durchaus triftig. Ein Vergleich mit einer anderen großen revolutionären Entwicklung im modernen Nahen Osten, der iranischen Revolution von 1978/79, ist da erhellend. Angesichts sich ausdehnender Massenproteste und Streiks klammerte sich Schah Mohammed Risa Pahlewi unter Einsatz immer schärferer Repression an die Macht. Wegen der schiitischen Tradition, der Toten vierzig Tage nach ihrem Tod zu gedenken, „entwickelt sich die iranische Revolution in vierzigtägigen Intervallen. Alle vierzig Tage gibt es einen Ausbruch von Verzweiflung, Wut und Blut. Jedes Mal wird der Ausbruch schrecklicher, immer größere Menschenmengen, immer mehr Opfer“, so Ryszard Kapuscinski. [58]

Am 8. September 1978 erklärte der Schah das Kriegsrecht und seine Truppen brachten tausende Demonstranten in Teheran um. Massenstreiks breiteten sich von der strategisch entscheidenden Ölindustrie auf andere Bereiche aus. Die geballte Wirkung ständig neuer blutiger Massenzusammenstöße auf den Straßen führte zur Aushöhlung der Moral und des Zusammenhalts in der Armee. Als der Schah schließlich im Januar 1979 unter Druck der USA ins Exil verfrachtet wurde, kam es überall in der Armee zu Meutereien, und die Generäle waren zu schwach, um Anfang Februar einen von der radikalen Linken und von islamistischen Guerillagruppen organisierten Aufstand zu verhindern. [59]

Genau solch ein Szenario versuchten die ägyptischen Generäle abzuwenden. In der Woche vom 6. Februar 2011 begann die „Multitude“ ein schärferes Klassenprofil zu entwickeln: Die ägyptische Arbeiterinnen und Arbeiter, die bis zu dem Zeitpunkt als Individuen an der Massenbewegung teilnahmen, aber nicht als Kollektiv sichtbar wurden, begannen mit bis heute andauernden Massenstreiks ins Rampenlicht zu treten. Laut Washington Post „einigten sich Mitte der Woche angesichts der wachsenden Zahl Demonstranten in Kairo, Arbeitsstreiks und sich verschlechternder Wirtschaftsbedingungen oberste Heeresführer und zivile Führer mit Mubarak auf eine begrenzte Machtübergabe“. In seiner Rede von 10. Februar brach er jedoch sein Versprechen und rief wütende Reaktionen in der Bevölkerung hervor. Obama reagierte mit einer Stellungnahme, in der er faktisch Mubarak aufforderte, abzutreten. Für die Washington Post war dies

eine entscheidende Kehrtwende des Weißen Hauses, in dem es zuvor zu erhitzten Wortwechseln zwischen Regierungsberatern gekommen war; während die einen dafür eintraten, eine deutliche Botschaft zugunsten des demokratischen Wandels in Ägypten abzugeben, äußerten die anderen die Sorge, dass dann die traditionelle Beziehung von Regierung zu Regierung mit einem wichtigen Verbündeten gestört würde.

Auch in Kairo kam es zu einem erkennbaren Wandel. Innerhalb weniger Stunden nach Mubaraks Rede „ließ die Unterstützung des Militärs für Mubarak schlagartig nach“, sagte ein US-amerikanischer Regierungsbeamter, der die Ereignisse detailliert verfolgte.

„Die Armee war bereit gewesen – den richtigen Tonfall in der Rede vorausgesetzt – abzuwarten und zu sehen, wie sie wirken würde“, sagte der Beamte. „Was sie dann sehen mussten, gefiel ihnen gar nicht. […] Am Ende des Tages zeichnete sich ab, dass die Lage so nicht mehr tragbar war.“

Mubarak wurde am Freitag [11. Februar] mitgeteilt, er müsse abdanken, und innerhalb weniger Stunden war er auf dem Flug nach Scharm al-Scheich, dem Urlaubsort am Roten Meer. [60]

Aber das Problem für den Obersten Rat der Streitkräfte, der Mubarak abgesetzt hatte – und hinter ihm die ägyptische herrschende Klasse und das Weiße Haus – besteht darin, dass in Ägypten und Tunesien die Triebkraft der Revolution eine Mischung aus materiellen und politischen Beschwerden ist. Diese können nicht durch rein kosmetische Veränderungen der Nachfolgeregierungen, an deren Spitze beide Male ursprünglich von den fliehenden Präsidenten eingesetzte Ministerpräsidenten standen, befriedigt werden.

Diese Logik zeigte sich sofort nach Ben Alis Sturz in Tunesien mit den fortgesetzten Protesten, hinter denen das Bedürfnis stand, das gesamte Regime loszuwerden, was sich vor allem in der Forderung nach Säuberung der Regierung von allen Mitgliedern der alten herrschenden Partei Rassemblement Constitutionnel Démocratique (RCD) niederschlug. Was wir aber in Ägypten und Tunesien gesehen haben, ist ein viel breiterer Prozess, den Philip Marfleet an anderer Stelle dieses Magazins richtigerweise „Saneamento“ (Säuberung) genannt hat, nach dem Vorbild Portugals im Nachgang des Sturzes der rechten Diktatur im April 1974 durch die Bewegung der Streitkräfte.

Einer der ersten demokratischen Impulse nach dem Sturz eines autoritären Regimes besteht in dem Bedürfnis, den Staatsapparat zu säubern und ihn öffentlich zur Rechenschaft zu ziehen. Ziel ist dabei oft die Geheimpolizei des alten Regimes – die DGS (Direccão Geral de Segurança) in Portugal oder die Stasi (Ministerium für Staatssicherheit) in der DDR nach der Revolution von 1989. Eben dieser Prozess ist heute in den arabischen Revolutionen im Gange. Im März wurde deshalb das Hauptquartier der Staatssicherheit SSIS in Nasr-Stadt nahe Kairo gestürmt, neben vielen ihrer Zweigstellen, vor allem um die Zerstörung von Geheimdokumenten zu verhindern. In Tunesien zwangen Demonstranten die Übergangsregierung, die Staatssicherheit faktisch aufzulösen, während die RCD gerichtlich verboten wurde. Wie um die tunesische Revolution nachzuahmen, ordnete der ägyptische Innenminister am 15. März seinerseits die Auflösung der SSIS an. Und so verstärken sich beide Revolutionen auf verblüffende Weise gegenseitig.

Die Massenbewegung erzielte weitere Siege, wiederum mehr oder weniger gleichzeitig, und zwang in beiden Ländern die Ministerpräsidenten aus dem Amt, die noch aus dem alten Regime kamen. Abstrakt gesehen, war die Hauptstoßrichtung dieser Kämpfe politischer Natur. Es ging darum, den Prozess der Demokratisierung zu beschleunigen und viel weiter zu treiben, als die ägyptische Militärjunta oder die tunesische Übergangsregierung wollten. Das Problem ist aber, dass die Form, die der Neoliberalismus im Nahen Osten angenommen hat, es sehr schwer macht, Politik und Wirtschaft zu trennen. Die Wurzeln der Regime von Mubarak und Ben Ali auszureißen, heißt, tief in die politische Ökonomie der ägyptischen und tunesischen Gesellschaft einzugreifen. Die ägyptische Armee ist besonders verwundbar, weil sie als Sachwalter des nasseristischen Staatskapitalismus ein Wirtschaftsreich lenkt, das auf mehrere Prozente des ägyptischen Nationaleinkommens geschätzt wird. [61]

Für die beiden Länder gibt es jetzt zwei mögliche Szenarien: Das eine ist Portugal 1974/75, wo die Revolution durch einen fortschrittlichen Militärputsch ausgelöst wurde, der Ruf nach Saneamento nach 50 Jahren Diktatur dann aber die soziale und politische Polarisierung und die Radikalisierung von Arbeiterinnen und Arbeitern wie einfachen Soldaten vorantrieb. Portugal kam in den 18 Monaten nach der Machtübernahme der Streitkräfte einer sozialistischen Revolution näher als jedes andere westeuropäische Land seit den 1930er Jahren. Die Linke wurde nur durch eine europaweite Mobilisierung der Reaktion mit der Sozialdemokratie an der Spitze und gelenkt von den USA geschlagen. Das andere Szenario zeigt Indonesien nach 1998, wo der Sturz der Diktatur Suharto (ein weiterer Fall von Vetternwirtschaftskapitalismus ausgehend von der herrschenden Familie) auf dem Höhepunkt der asiatischen Wirtschaftskrise einen großen Raum für Massenbewegungen von unten öffnete, die Stabilität aber schließlich mit einer liberaldemokratischen Fassade wiederhergestellt werden konnte.

Selbstverständlich bevorzugen die Westmächte und die herrschenden Klassen Ägyptens und Tunesiens das indonesische Szenario statt des portugiesischen. Aber die Fusion der wirtschaftlichen und politischen Macht im neoliberalen Ägypten und in Tunesien und die schreckliche materielle Lage großer Teile der Bevölkerung in beiden Ländern wird diese Lösung sehr erschweren. Der ökonomische Druck, der auf der Mehrheit der Bevölkerung lastet – Arbeitslosigkeit, insbesondere unter den Jugendlichen, steigende Preise für Lebensmittel und andere Alltagswaren, wozu noch der störende Effekt der Revolution selbst auf Bereiche wie den Tourismus gezählt werden muss –, ist ein permanent destabilisierender Faktor.

Zudem können wir sehen, wie die Arbeiterbewegung in Ägypten an Stärke und Selbstbewusstsein gewinnt und Streiks und Besetzungen für eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Forderungen organisiert. Aufgrund einer Initiative, die Marfleet in diesem Magazin beschreibt, traf sich eine Vorbereitungskonferenz der Ägyptischen Föderation Unabhängiger Gewerkschaften am 2. März. [62] Neben den Streiks gab es noch eine Vielfalt von Protesten zu sozialen und wirtschaftlichen Themen von Mieten bis zum Preis von Butangas. Diese wirtschaftlichen Kämpfe, die sich vor dem Hintergrund der Revolution vom 25. Januar entfalten, stehen nicht im Widerspruch zu den politischen Kämpfen. Im Gegenteil, wie Rosa Luxemburg in ihrer klassischen Analyse der russischen Revolution von 1905 zeigte, stärken sie sich gegenseitig:

Allein die Bewegung im Ganzen geht nicht bloß nach der Richtung vom ökonomischen zum politischen Kampf, sondern auch umgekehrt. Jede von den großen politischen Massenaktionen schlägt, nachdem sie ihren politischen Höhepunkt erreicht hat, in einen ganzen Wust ökonomischer Streiks um. Und dies bezieht sich wieder nicht bloß auf jeden einzelnen von den großen Massenstreiks, sondern auch auf die Revolution im Ganzen. Mit der Verbreitung, Klärung und Potenzierung des politischen Kampfes tritt nicht bloß der ökonomische Kampf nicht zurück, sondern er verbreitet sich, organisiert sich und potenziert sich seinerseits in gleichem Schritt. Es besteht zwischen beiden eine völlige Wechselwirkung.

Jeder neue Anlauf und neue Sieg des politischen Kampfes verwandelt sich in einen mächtigen Anstoß für den wirtschaftlichen Kampf, indem er zugleich seine äußeren Möglichkeiten erweitert und den inneren Antrieb der Arbeiter, ihre Lage zu bessern, ihre Kampflust erhöht. Nach jeder schäumenden Welle der politischen Aktion bleibt ein befruchtender Niederschlag zurück, aus dem sofort tausendfältige Halme des ökonomischen Kampfes emporschießen. Und umgekehrt. Der unaufhörliche ökonomische Kriegszustand der Arbeiter mit dem Kapital hält die Kampfenergie in allen politischen Pausen wach, er bildet sozusagen das ständige frische Reservoir der proletarischen Klassenkraft, aus dem der politische Kampf immer von Neuem seine Macht hervorholt, und zugleich führt das unermüdliche ökonomische Bohren des Proletariats alle Augenblicke bald hier, bald dort zu einzelnen scharfen Konflikten, aus denen unversehens politische Konflikte auf großem Maßstab explodieren. […]

Mit einem Wort: Der ökonomische Kampf ist das Fortleitende von einem politischen Knotenpunkt zum andern, der politische Kampf ist die periodische Befruchtung des Bodens für den ökonomischen Kampf. Ursache und Wirkung wechseln hier alle Augenblicke ihre Stellen, und so bilden das ökonomische und das politische Moment in der Massenstreikperiode, weit entfernt, sich reinlich zu scheiden oder gar auszuschließen, wie es das pedantische Schema will, vielmehr nur zwei ineinandergeschlungene Seiten des proletarischen Klassenkampfes in Russland. Und ihre Einheit ist eben der Massenstreik. Wenn die spintisierende Theorie, um zu dem „reinen politischen Massenstreik“ zu gelangen, eine künstliche logische Sektion an dem Massenstreik vornimmt, so wird bei diesem Sezieren, wie bei jedem anderen, die Erscheinung nicht in ihrem lebendigen Wesen erkannt, sondern bloß abgetötet. [63]

Aus diesem dynamischen Zusammenspiel zwischen wirtschaftlichen und politischen Kämpfen entsteht ein Potenzial, von dem Trotzki sagte: „Die demokratische Revolution wächst unmittelbar in die sozialistische hinein und wird dadurch allein schon zur permanenten Revolution.“ [64] Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die ägyptische herrschende Klasse dieser Entwicklung ruhig zusehen wird. Was sind ihre Optionen? Die Junta könnte Formen direkten konterrevolutionären Zwangs einsetzen, so wie Mubarak es erfolglos gegen die Demonstranten auf dem Tahrirplatz Anfang Februar versucht hat. Die Armee hat heimlich Aktivisten verhaftet und gefoltert, einige von ihnen wurden von Militärgerichten zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Angriffe von Schlägerbanden auf demonstrierende Frauen am Internationalen Frauentag, dem 8. März, und gleichzeitig auf Mitglieder der koptisch-christlichen Minderheit in Mokattam, Nordkairo, wurden von einigen Aktivisten als Racheakt der SSIS gesehen. [65]

Eine Mischung aus Unterdrückung und der Politik des Teilens und Herrschens könnte es Gaddafi erlauben, in Libyen an der Macht zu bleiben, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass das in Ägypten funktioniert, jedenfalls nicht kurzfristig, angesichts der Ausbreitung von Massenkämpfen und der Basisorganisation dort. In Stadtvierteln und Betrieben wurden Komitees zur Verteidigung der Revolution gegründet. Die Alternative wäre zu versuchen, die vermittelnden politischen Strukturen zu entwickeln – was Gramsci „System der Schützengräben“ nannte, die „sehr komplexe und […] resistente Struktur“ der bürgerlichen Demokratie, die in Ägypten eher schwach ausgeprägt war, seit die Freien Offiziere ihre Gegner im Jahr 1954 ausschalteten. [66]

Der ägyptische Liberalismus eines Mohammed El Baradei, Aiman Nur und der historischen Wafd-Partei ist ziemlich sicher ein zu schwacher Halm, um sich daran zu klammern. Die Muslimbruderschaft ist eine völlig andere Sache. Das Objekt von islamophober Spekulation im Westen, ist die Bruderschaft tatsächlich ein ziemlich widersprüchliches und heterogenes Gebilde, das die unterschiedlichsten Formen angenommen hat. Die antikoloniale Massenbewegung der 1940er und 1950er Jahre wurde von Nasser zerschlagen, aber die Bruderschaft erstand neu in den 1980er Jahren als eine „populistische politische Kraft“, wie Sameh Naguib sie beschrieb. Sie baute sich eine starke Basis an den Universitäten und in Berufsverbänden auf und in armen Stadtvierteln, wodurch sie fast 20 Prozent der Sitze bei der relativ unbehinderten Parlamentswahl von 2005 gewann. [67] Zur Neubelebung der Bruderschaft kam es übrigens zur selben Zeit, als das Regime erfolgreich seinen mörderischen Feldzug gegen die bewaffneten dschihadistischen Gruppen durchführte, von denen einige später al-Qaida mit aufbauten.

Die durch und durch bürgerliche Führung der Bruderschaft war gespalten: Auf der einen Seite standen die Befürworter von Bündnissen mit eher säkularen Oppositionskräften, wie den Nasseristen und revolutionären Sozialisten, mit denen sie Konferenzen in Kairo gegen Besatzung und Imperialismus organisierten. Sie befürworteten auch die Unterstützung der Kiffaja-Demokratiebewegung, die Mitte des letzten Jahrzehnts entstand, und beteiligten sich an ihr. Auf der anderen Seite standen die politischen Quietisten, die Zurückhaltung predigten und eine Verständigung mit dem Regime bevorzugten. Letztere gewannen vor der Revolution vom 25. Januar an Gewicht, was aber Bruderschaftsaktivisten nicht daran hinderte, sich dem Aufstand anzuschließen. Wegen ihres bürgerlichen Charakters nahm die Bruderschaft allerdings eine wesentlich zwiespältigeren Haltung zu den Massenstreiks ein. Aber zweifellos haben viele Arbeiter sie in den vergangenen Jahren als mächtigste Oppositionskraft unterstützt.

Die historische Entwicklung der Arbeiterbewegung in Ägypten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet von einer Mischung aus „Arbeitertümelei“ – militanter Klassenorganisation um ökonomische Fragen – und „Populismus“, Unterstützung eines klassenübergreifenden Nationalismus im Kampf gegen den britischen Imperialismus. Dadurch konnte die liberal-nationalistische Wafd-Partei „die hegemoniale ideologische und organisatorische Kraft der Arbeiterbewegung werden“, wie Joel Beinin und Zachary Lockman es formuliert haben. [68] Allerdings wurde die Dominanz der Wafd nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Kommunisten und die Bruderschaft untergraben. Die Stärke des antikolonialen Nationalismus (den beide Tendenzen auf ihre Weise unterstützten), verbunden mit einer Mischung aus staatlicher Repression und Wirtschaftsreformen, ermöglichte es Nasser, die ägyptische Arbeiterklasse in seinem staatskapitalistischen Regime zu entmündigen.

Die Lage in Ägypten ist heute eine ganz andere. Dennoch könnte die Bruderschaft mit ihren organisatorischen Mitteln und eben der Verschwommenheit ihres unscharfen politischen und sozialen Programms – „Islam ist die Antwort“ – eine wichtige Rolle dabei spielen, die Entstehung einer unabhängigen Politik der Arbeiterklasse in Ägypten zu verhindern. Bei der Gefahr, die die Bruderschaft darstellt, handelt es sich also weniger um islamistische „Radikalisierung“, von der Leute wie Tony Blair so besessen sind, sondern um ihr Potenzial als konservative Kraft (diese Rolle zu spielen, würde allerdings zu Spaltungen in ihren Reihen führen). Das unterstreicht die Dummheit der Lobeshymnen auf den „zentrumslosen“ Charakter der arabischen Revolutionen. Wenn die radikaleren Elemente in der Bewegung sich weigern, sich politisch zu organisieren, werden andere Kräfte sich nicht in solch selbstloser Zurückhaltung üben. Tatsächlich wurden nach Mubaraks Sturz bereits eine Vielfalt neuer ägyptischer Parteien gegründet, glücklicherweise auch die Demokratische Arbeiterpartei. [69] Das Schicksal von Initiativen wie dieser hängt von vielen Faktoren ab. Aber revolutionäre Sozialisten haben, auch wenn sie eine sehr kleine und schwache Kraft sind, eine wichtige Rolle bei der Revolution vom 25. Januar gespielt und bei der Entwicklung der ägyptischen Arbeiterbewegung. Wenn sie dazu beitragen, dass ägyptische Arbeiterinnen und Arbeiter eine eigene, klare politische Stimme herausbilden, dann eröffnen sich sehr viel größere revolutionäre Möglichkeiten im Nahen Osten.


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Footnotes

1. Walter Benjamin, 1977, S. 251–262.

2. Ebenda, Eine kritische Befassung mit den Thesen findet sich in: Alex Callinicos, 2004, Kapitel 5.

3. Siehe zum Beispiel auch Batatu, 1978, Teil 5, Beinin und Lockmann, 1987, Kapitel 13 und 14, und Gordon, 1992. Sehr nützlich war für mich auch der Entwurf eines Kapitels von Anne Alexander über die Wechselbeziehung zwischen den Massenbewegungen und den Freien Offizieren in Ägypten und im Irak. Ich danke ihr für ihre sehr hilfreichen Hinweise.

4. El-Mahdi und Marfleet, 2009.

5. Karl Marx, 1971, Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 9.

6. Watkins, 2010, S. 20.

7. Callinicos, 2010, S. 6–13.

8. Duménil und Lévy, 2011, S. 22.

9. Callinicos, 2010, S. 6.

10. http://bit.ly/worldbanktunisia.

11. http://bit.ly/worldbankegypt.

12. Siehe auch zum Beispiel Waterbury, 1983.

13. Bush, 2009.

14. Alexander, 2011.

15. Al-Malky, 2010.

16. El-Naggar, 2009, S. 42.

17. http://arabworld.worldbank.org/content/awi/en/home/featured/youth_programs.html.

18. Beinin, 2009, S. 77.

19. Fahim, Slackman, und Rohde, 2011.

20. Lewis, 2011.

21. Kornblihtt und Magro, 2011.

22. Schwartz, 2009, S. 110. Siehe auch S. 164–171.

23. Chossudovsky, 2011. FAO = Food and Agricultural Organisation of the United Nations.

24. Sadiki, 2011. Mit „den Elenden“ (im französischen Original „Les Misérables) spielt Sadiki auf den gleichnamigen Roman von Victor Hugo aus dem Jahr 1862 an; d. Übers.

25. Trudell, 2011. target="new"

26. Sargent, 2011.

27. David McNally meint, dass die scharfe Rezession „großen Widerstand“ hervorrufe, obwohl einige der wichtigsten Beispiele, die er nennt, Bolivien 2000 bis 2005 und Oaxaca 2006, vor Beginn der Krise stattgefunden haben; McNally, 2011.

28. Friedman, 2011 c.

29. Friedman, 2011 a.

30. Chomsky, 1999, S. S. 194–195.

31. Soldz, 2011.

32. Beaugé, 2011; Le Monde, 18. Februar 2011; http://azls.blogspot.com/2011/02/leur-ami-ben-ali.html.

33. Beschämenderweise sprach Seif al-Gaddafi bei einem Special Ralph Miliband Event am 25. Mai 2010 über Libyen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

34. Giddens, 2007.

35. Business Week, 2007.

36. Pilkington, 2011.

37. Pew Research Center, 2010.

38. Gates, 2011.

39. McGregor, 2011.

40. Gardner, 2011 b.

41. Shavit, 2011.

42. Ali, 2011.

43. Leo Trotzki, 1960, Geschichte der russischen Revolution, S. 12.

44. Hardt und Negri, 2011.

45. Gramsci, 1992, Gefängnishefte Band 2, 3 § 48, S. 369–370.

46. Temlali, 2011.

47. Beinin, 2009, S. 77.

48. Gramsci, 1992, Briefe 1908–1926. Brief vom 9. Februar 1924, S. 156.

49. Trotzki, 1988, Verratene Revolution, Schriften, Band 1.2, S. 987.

50. Friedman, 2011 b.

51. http://wikileaks.ch/cable/2008/09/08CAIRO2091.html.

52. Rede auf einem Seminar des Magazins International Socialism über Ägypten, Tunesien und die Revolution im Nahen Osten, London, 22. Februar 2011; Video unter: www.isj.org.uk/?id=716.

53. Gardner, 2011 a.

54. Allam und Khalaf, 2011.

55. Trotzki, 1960, Geschichte der russischen Revolution, S. 12.

56. Siehe dazu Harman, 1998, und Broué, 1973.

57. Hanna Batatus umfangreiche Darstellung der Ursprünge, des Verlaufs und der Folgen der irakischen Revolution stellt ein historiografisches Meisterwerk dar. Siehe Batatu, 1978, S. 985–986, über König Husseins von Jordanien Darstellung der Rolle der CIA beim Putsch vom Februar 1963.

58. Kapuscinski, 1982, S. 114.

59. Siehe Marshall, 1988, Kapitel 2, und Poya, 1987.

60. Warrick, 2011.

61. Clover und Khalaf, 2011.

62. Charbel, 2011.

63. Rosa Luxemburg, 1990, Massenstreik, Partei und Gewerkschaften, S. 128.

64. Trotzki, 1969, Permanente Revolution, S. 151.

65. Ozman, 2011.

66. Gramsci, 1992, Gefängnishefte Band 4, Heft 7, § 10. S. 867–868.

67. Naguib, 2009, S. 114.

68. Beinin und Lockman, 1987, S. 450; siehe Teil 2 für einen allgemeinen Überblick. Eine Diskussion der Dialektik von Arbeitertümelei und Populismus im Zusammenhang mit Südafrika findet sich in: Callinicos, 1988, insbesondere S. 191–194.

69. Shukrallah und El-Abbas, 2011.


Zuletzt aktualisiert am 29.8.2011