John Molyneux

 

Ist der Marxismus deterministisch?

(Teil 1)

 

[Einleitung]

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern. [1]

Dieses berühmteste aller Marx’ Zitate, das fast am Anfang seiner politischen und theoretischen Entwicklung geschrieben wurde, deutet auf die Tatsache hin, daß vom Anfang an Marx von einem leidenschaftlichen willen getrieben wurde, um eine bessere Gesellschaft zu kämpfen. Engels, als er neben Marx’ Grab redete, bezeugte die Tatsache, daß dieser leidenschaftliche Wille durch sein ganzes Leben überlebte:

Denn Marx war vor allem Revolutionär. Mitzuwirken, in dieser oder jener Weise, am Sturz der kapitalistischen Gesellschaft und der durch sie geschaffenen Staatseinrichtungen, mitzuwirken an der Befreiung des modernen Proletariats ..., das war sein wirklicher Lebensberuf. Der Kampf war sein Element. Und er hat gekämpft mit einer Leidenschaft, einer Zähigkeit, einem Erfolg wie wenige. [2]

Das gleiche gilt selbstverständlich für die überwiegende Mehrheit der Sozialisten und Marxisten heute. Unser Anfangspunkt ist der Wunsch, zurückzukämpfen, der Wunsch, dem Aufbau einer besseren Welt beizutragen. Das führt uns zur marxistischen Theorie, eher als daß die marxistische Theorie uns dazu bringt, Sachen zu ändern. Vielleicht irgendwo gibt es jemanden, der eine erschöpfende Untersuchung des ganzen Marxismus machte und auf dieser Basis im Alter von 90 Jahren entschied, Marxist zu werden. Wenn ja, habe ich ihn noch nicht getroffen.

Es war aber Marx’ größte Errungenschaft, daß er den Sozialismus von einer Utopie zu einer Wissenschaft verwandelte, oder genauer gesagt, von eine Utopie bzw. Verschwörung zu einer Wissenschaft. Vor Marx gab es zwei Ansätze zur Gründung [Einführung] des Sozialismus. Der erste, am Beispiel von St. Simon und Fourier in Frankreich und von Owen in Großbritannien, bestand darin, ein so schönes Bild des Sozialismus als rationalere Gesellschaftsform als der Kapitalismus zu malen, daß eher oder später alle, einschließlich der herrschenden Klasse von seinen Vorteilen überzeugt würde. Die zweite, hergeleitet von der Französischen Revolution, deren bestes Beispiel während des 19. Jahrhunderts Blanqui war, bestand darin, daß eine kleine Verschwörung von aufgeklärten Revolutionären die Macht durch eine Staatsstreich [Putsch] ergreifen und den Sozialismus auf die Gesellschaft von oben aufzwingen sollte.

Marx lehnte diese beiden Ansätze ab, nicht nur indem er Partei für den Sozialismus von unten ergriff, wodurch er die Selbstbefreiung der Arbeiterklasse meinte, sondern auch indem er darauf bestand, daß solche Befreiung nur auf der Basis der inneren Widersprüche und der gesellschaftlichen Kräfte, die objektive innerhalb des Kapitalismus am Werk waren, möglich war. Im Kommunistischen Manifest schrieb er:

Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind. Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfs, einer unter unsern Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung. [3]

Und im November 1850 nach der Niederschlagung der 1848er Revolutionen schrieb er:

Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein ... Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krise. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese. [4]

Die sozialistische Theorie mußte deshalb auf der wissenschaftlichen Untersuchung der Geschichte und der Ökonomie gegründet werden. Die sozialistische Strategie mußte auf der wissenschaftlichen Analyse der objektiven Lage gegründet werden. Die revolutionäre Begeisterung allein reichte nicht aus. Noch einmal wieder sind diese Probleme immer noch aktuell. Wie viele begeisterte zum Sozialismus Bekehrte haben das Gefühl gehabt, daß sie bloß allen, die sie trafen, die gute Nachricht erzählen, so daß ihnen ein Licht aufgehen würde? Wie viele junge Revolutionäre haben nach ihrer ersten dramatischen Begegnung mit den Streitkräften des Staates im Trafalgar Square oder im Hyde Park gedacht, daß mit Hilfe einiger weiterer Demonstrationen wie diese die Revolution um die Ecke wäre?

Diese beiden Elemente, der revolutionäre Wille dazu, die Welt zu verändern, und die wissenschaftliche Analyse der Gesetze der Geschichte und der Gesellschaft, sind in Marx und dem Marxismus vorhanden. einzelne Zeile von Marx lassen sich zitieren, um ihn als Verfechter des einen oder des anderen Elements Aussehen zu lassen. Isoliert genommen, könnte der Spruch: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern“, auf eine Gleichgültigkeit in Fragen der Philosophie oder gegenüber der Theorie als Ganzer andeuten. andererseits könnte man halten, daß ein Spruch wie: „Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten“ [5], darauf andeutet, daß die neue Technik [Technologie] – wie etwa das Internet – uns den Sozialismus ohne einen revolutionären Kampf oder Intervention überhaupt geben wird. In Wirklichkeit bestehen der Aktivismus sowie die Wissenschaft nebeneinander durch das ganze Leben und Arbeit von Marx und durch die ganze Geschichte des Marxismus.

Aber gibt es nicht hier eine Widersprüchlichkeit? Wenn der Marxismus behauptet, daß die Geschichte von Gesetzen geregelt wird und daß das menschliche Verhalten durch die materiellen Umstände gestaltet wird, wie kann der Marxismus auch behaupten, daß revolutionäre sozialistische Tätigkeit äußerst wichtig ist? Oder grober gestellt, Wenn, wie manchmal behauptet wird, Marx „bewies“, daß der Sozialismus unvermeidlich ist, warum müssen wir dafür kämpfen?

Dies alles erhebt die Frage des Determinismus – das heißt, die Frage, inwieweit die Geschichte durch ökonomische und andere gesellschaftliche Kräfte, unabhängig von unserem Willen und unserer Tätigkeit als Revolutionäre, bestimmt wird Es erhebt auch die eng verwandte Frage, inwiefern der Marxismus als deterministische Theorie betrachtet werden sollte.

Bevor wir uns direkt mit diesen Fragen beschäftigen, lohnt es sich zu merken, daß das bürgerliche Denken nie das Problem des Determinismus hat lösen können. Vielmehr schwankt es hin und her zwischen dem voluntaristischen Idealismus, der soziale Bedingungen ignoriert und alle Betonung auf „große“ Individuen und Vorstellungen legt, und dem mechanischen Materialismus, der das unveränderliche Wesen der Menschen und der Gesellschaft betont. Diese beiden Positionen widerspiegeln Aspekte der bürgerlichen Gesellschaft, betrachtet von oben nach unten. Einerseits die Bourgeoisie, die an der Spitze der Gesellschaft steht, wo sie von der produktiven Arbeit befreit ist und von der Ausbeutung anderer lebt, kann sich schmeicheln, daß ihre Vorstellungen und Taten die Welt herrschen. Andererseits, wenn sie auf die Massen hinunterschaut, betrachtet sie sie bloß als Gegenstände [Objekte], die passiv von den Bedürfnissen des Kapitals hin und her geschoben werden. Daher greift die bürgerliche Ideologie den Marxismus an, sowohl weil er zu deterministisch ist, als auch deswegen, weil er nicht deterministische genug ist.

Ab Max Weber hat die bürgerliche Soziologie und ihre verwandten Disziplinen den Marxismus für seinen „groben“ ökonomischen Determinismus, seine Unterschätzung der Autonomie der Ideologie, der Politik und der Kultur und sein Bestehen auf die zentrale Wichtigkeit [Bedeutung] von Klasse. verurteilt. Bürgerliche Historiker haben wiederholt versucht, jede Vorstellung eines allgemeinen Entwicklungsmusters in der Weltgeschichte zu unterminieren, dabei haben sie besonders ihr Feuer auf die von Marx im Kommunistischen Manifest skizzierte Darstellung konzentriert und die Vorstellung angegriffen, daß die Englische und die Französische Revolutionen überhaupt einen Klassencharakter oder eine historische Notwendigkeit hatten.

Gleichzeitig haben die Soziobiologen den Marxismus und jede Form des linken und sozialistischen Denkens wegen seines „utopischen“ Versäumnisses davon verurteilt, zu begreifen, daß Ungleichheit, Hierarchie, Klasse und Konkurrenz (zusammen mit Krieg, Rassismus und Sexismus) in unseren Genen verschlüsselt und deshalb unausrottbar sind.

Debatten über Determinismus haben auch unter denjenigen stattgefunden, die behaupten das sie Marxisten sind. Zu verschiedenen Zeitpunkten haben passive deterministische und höchst voluntaristische Interpretationen des Marxismus Blütezeiten erlebt. Das wichtigste Beispiel der deterministischen Tendenz war die von Karl Kautsky entwickelte Version des Marxismus, die die deutsche Sozialdemokratie und die Zweite Internationale in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg dominierte. Kautskys Ansicht nach garantierten die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus das zahlenmäßige Wachstum und das Wachstum des Bewußtseins der Arbeiterklasse bis zum Punkt, wo die Macht „automatisch“ in ihre Hände fallen würde. Alles, was von der sozialistischen Bewegung benötigt wäre, war der Aufbau ihrer Organisation, die Verstärkung ihres Stimmenanteils und das Vermeiden von Abenteuern, während sie geduldig darauf wartete, bis die ökonomische Entwicklung ihre Arbeit leistete. [6] Über gerade diese Periode schrieb Gramsci: „Das deterministische, fatalistische und mechanische Element ist ein unmittelbar ideologischer ‚Panzer‘ gewesen, die von der Philosophie der Praxis [des Marxismus – JM] ausstrahlt, etwa wie Religion oder Drogen“. [7]

Am gegensätzlichen Pol waren die extremsten Beispiele des Voluntarismus, die sich unter dem marxistischen Etikett verkauften, der Maoismus und der Guevarismus. Der Maoismus erklärte nicht nur die Möglichkeit der Industrialisierung Chinas durch Willenskraft im katastrophalen Großen Sprung Vorwärts, sondern sogar den direkten Übergang zum Kommunismus in China allein ohne jede Rücksicht auf die objektiven materiellen Umstände (diese werden unten weiterdiskutiert). Der Guevarismus, der sich auf dem Sonderfall Kuba stützte, entwickelte eine Theorie einer von eine kleinen Guerillabande auf dem Land angezettelten Revolution. „Es ist nicht notwendig“, schrieb Guevara, „darauf zu warten, bis alle Bedingungen dafür bestehen, die Revolution zu machen: Der aufstand kann sie schaffen.“ [8]

Revolutionäre Marxisten haben immer versucht, diese beiden Positionen zu bekämpfen. Luxemburg, Lenin und Trotzki, später gefolgt von Lukacs und Gramsci, unterwarfen den Fatalismus und die passive Erwartung der Zweiten Internationale der verheerenden Kritik. Lenin und Trotzki griffen auch zu den Waffen gegen die linksradikale voluntaristische Tendenz, die sich unter europäischen Kommunisten während der frühen Jahre der Kommunistischen Internationale entwickelte. [9] Während der 1950er und 1960er Jahre waren es hauptsächlich Anhänger dieser Zeitschrift, die eine historisch-materialistische Kritik des Maoismus und des Guevarismus produzierten. [10] Das Problem des Determinismus verschwindet nicht. die Struktur der kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer Erhebung von „großen“ Individuen und ihrer Unterdrückung der Persönlichkeit der Massen erzeugt den mechanischen Determinismus sowie den voluntaristischen Idealismus und diese Drücke wirken weiter auf Marxisten aus.

Gegen gerade diesen Hintergrund versucht dieser Artikel, eine Interpretation des historischen Materialismus zu skizzieren und zu verteidigen, die diese beiden Gefahren vermeidet, während sie durchaus materialistisch und entschlossen aktivistisch bleibt. Der Erste Schritt in seiner Argumentation besteht darin, über den absoluten Determinismus und den absoluten Indeterminismus als Grenzfälle nachzudenken.

 

 

Der Determinismus: absolut und relativ

Durch den absoluten Determinismus meine ich die Ansicht, daß jedes Ereignis in der Geschichte des Universums vom Urknall bis zum ende der Zeit und jede menschliche Handlung vom Schreiben des Kapitals bis zur Frage, ob ich meine rechte Augenbraue hochziehe oder nicht, unvermeidlich ist und nicht anders hätte sein können, als sie gewesen ist, ist oder sein wird. Die Argumentation für den absoluten Determinismus läuft so: Jedes Ereignis bzw. jede Handlung hat seine bzw. ihre Ursache bzw. Ursachen, und diese Ursachen bestimmen genau das Wesen des gegebenen Ereignisses bzw. der gegebenen Handlung; diese Ursachen bestimmen genau das Wesen des gegebenen Ereignisses bzw. der gegebenen Handlung und diese Ursachen werden selbst völlig von früheren Ursachen bestimmt. So ist jedes bestimmte Ereignis bzw. jede bestimmte Handlung Teil einer unendlich komplizierten habe absolut unvermeidlichen Kettenreaktion, die in der Singularität oder darin, was auch immer am Anfang des Universums lag, innewohnte.

Historisch hat diese Position ihre Wurzeln in der newtonschen Physik, wovon sie ihr „Billardkugel“-Ansicht der Kausalität zieht (einen Ansicht, worin die Kausalität aller Ereignisse und Prozesse als analog mit der Bewegung einer Billardkugel , die völlig von der Winkel und der Geschwindigkeit bestimmt wird, womit sie von einer anderen Billardkugel getroffen wird). [11] Aber er faßt auch den Glauben um, daß das menschliche Verhalten „schließlich“ auf die Bewegung der physischen Partikel reduziert werden kann, woraus Menschen entstehen und die angeblich universelle Naturgesetze gehorchen. Irgendwelche Ansicht dieser Art hat anschneidend diejenigen Marxisten beeinflußt, die eine absolut deterministische Position gehalten haben. Solche Marxisten haben jedoch großzügig gehalten, daß zum Zweck der gesellschaftlichen Analyse, es unnötig war, alles auf die Ebene der Physik zu reduzieren, da das menschliche Verhalten von sozialen Gesetzen geregelt wird, die in ihrer Wirkung mit den Naturgesetzen verwandt waren.

In einer Diskussion über den absoluten Determinismus bemerkt Ralph Miliband: „diese ist nicht eine Ansicht, womit man argumentieren kann: Man kann sie bloß annehmen oder ablehnen. Ich lehne sie ab und mache weiter.“ [12] Miliband kann da recht haben, da es unmöglich ist, empirische Beweise zu zitieren, die den absoluten Determinismus widerlegen (genau wie es unmöglich ist, Tatsachen zu zitieren, die ihn „beweisen“). Nichtsdestoweniger ist sie eine Ansicht, mit dem man argumentieren kann. Man soll das Marxsche Diktum in Erinnerung halten:

In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage. [13]

Es ist möglich, die Vorteile und Nachteile des absoluten Determinismus vom Standpunkt der Praxis zu bewerten.

Der absolute Determinismus hat zwei wichtige Vorzüge gegenüber antideterministische bzw. indeterministische Theorien und hat aus diesem Grund zu Zeiten eine bestimmte fortschrittliche Rolle gespielt. Erstens zwingt er uns dazu, materialistische Erklärungen der Ereignisse und Erscheinungen, ob Kriege, Revolution, Jugendkriminalität oder Kinderschändung zu suchen, eher als sie einfach dem Zufall, der göttlichen bzw. teuflischen Einmischung oder dem persönlichen Übel zuzuschreiben, Zweitens, wie Gramsci bemerkt, als die Arbeiterklasse eine Periode von Niederlagen durchging, konnte der mechanische Materialismus zu einer „großen Kraft des moralischen Widerstands, des Zusammenhalts und der geduldigen und hartnäckigen Beharrlichkeit [werden]. Für einen Augenblick bin ich niedergeschlagen worden, aber die Flut der Geschichte arbeitet langfristig für mich.“ [14] Nichtsdestotrotz hat er mehrere Nachteile, die seine Ablehnung benötigen.

Allererstens ist es in der Praxis unmöglich nach dem absoluten Determinismus zu leben. Die Tatsache ist, daß die Erfahrung der Menschen ist, daß sie Entscheidungen und Wahlen machen. Während es offensichtlich ist, daß keine von diesen Entscheidungen je absolut „frei“ sein können, wenn man durch „frei“ unbeeinflußt von der früheren Konditionierung und den gegenwärtigen Umständen meint, stimmt es nichtsdestotrotz, daß wir zwischen Entscheidungen, die stark beschränkt oder gezwungen werden, z.B. diejenigen, die vor vorgehaltener Pistole und unter Drohung der Hunger genommen werden, und denjenigen, wie freiwillig oder mindesten relativ freiwillig sind. Wenn diese Unterscheidung und die ganze Erfahrung des Treffens von Entscheidungen eine Illusion ist, wie der absolute Determinist behaupten muß, ist sie eine Illusion, der man nicht im praktischen Leben entkommen kann, was auch stimmt für den Deterministen. Folglich enthält der absolute Determinismus in der Praxis immer eine Befreiungsklause, durch die der Voluntarismus durch die Hintertür zurückkehrt. Typisch verursacht er das Ergebnis, das Marx in seiner Kritik an Feuerbach beschreibt als das „Sondieren der Gesellschaft in zwei Teile – von denen der eine über ihr erhaben ist“. [15]

Zweitens sind die Newtonschen Fundamente des absoluten Determinismus von späteren naturwissenschaftlichen Entwicklungen unterminiert worden wie der Thermodynamik, der Quantenmechanik einschließlich dem Heisenbergschen Prinzip der Unsicherheit (?) und der Schrödingerschen Gleichung, und in der neuesten Zeit der Chaostheorie. [16] Für unsere Zwecke bestehen die zwei Schlüsselpunkte darin, daß die Quantenmechanik, sich mit dem Verhalten der Elementarpartikel beschäftigt, Gesetze liefert, die wahrscheinlichkeitsmäßig eher als absolut deterministische sind, und daß die Chaostheorie zeigt: „Der winzigste Unterschied im anfänglichen Zustand (eines Natursystems wie des Wetters) zu riesigen und unvorhersehbaren Unterschiede bei den Ergebnissen.“ [17] Selbstverständlich ist es ein grober Irrtum, mechanisch von der Naturwissenschaft zur Gesellschaftswissenschaft zu verallgemeinern, und es ist absolut möglich, daß Aspekte des menschlichen Verhaltens und deshalb der Geschichte strenger bestimmt werden als das Verhalten subatomarer Teilchen und des Wetters (gerade wie die Quantenmechanik es ermöglicht, daß die Newtonschen Bewegungsgesetze innerhalb bestimmten Grenzen gültig bleiben). Nichtsdestotrotz fordern diese wissenschaftlichen Fortschritte die weitverbreitete unausgesprochene Identifizierungen des Wissenschaft mit dem absoluten Determinismus.

Drittens hat die historische Erfahrung der Arbeiterbewegung gezeigt, daß der absolute Determinismus dazu geneigt hat, ernsthafte politische Fehler zu ermutigen, besonders die Passivität bei Augenblicken der revolutionären Krise und die Unterschätzung der Rolle der revolutionären Partei. diese Fragen werden später diskutiert, aber Zitate von Gramsci sowie Trotzki machen den Punkt. Gramsci, der bittere persönliche Erfahrung der schädlichen Wirkungen der deterministischen Passivität seitens der Sozialistischen Partei Italiens während der Jahre 1919–20 hatte, bemerkt (in der obskuren Sprache, die er annahm, um den Zensor zu täuschen):

Wenn die Untergeordnete leiten wird ..., wird der Mechanismus zu einem bestimmten Punkt zu einer nahe bevorstehenden Gefahr ... Die Grenzen und die Herrschaft der „Kraft des Umstands“ wird beschränkt. aber warum? Deswegen, weil grundsätzlich, wenn gestern das untergeordnete Element ein Ding war, heute ist es nicht mehr ein Ding, sondern eine historische Person, ein Protagonist – ein Agent, der notwendigerweise aktiv ist und die Initiative ergreift. [18]

Als er über seinen Nichtbolschewismus vor 1917 nachdachte, erklärte Trotzki in mit deinem deterministischen Glauben, „daß eine neue Revolution die Menschewiki ... zwingen würde, einen revolutionären Weg zu beschreitenen“, und bat diese Selbstkritik an:

Ich habe die Bedeutung der vorbereitenden ideologischen Aufzucht und politischen Stählung unterschätzt. In Fragen der innerparteilichen Entwicklung beging ich die Sünde mich einer Art sozialrevolutionärem Fatalismus hinzugeben. [19]

Der absolute Determinismus muß deshalb abgelehnt werden, weil er die entscheidende Probe der Erfahrung auf drei Ebenen durchfällt: auf der Ebene des Alltagslebens, auf der Ebene der wissenschaftlichen Praxis und auf der Ebene der politischen Praxis.

Am gegensätzlichen Pol zum absoluten Determinismus steht der absolute Indeterminismus, die Vorstellung, daß die Menschen ohne Einschränkung alles machen können, was auch immer sie wollen, und daß alles, was in der Geschichte passiert, reiner Zufall ist. Diese ist eine so absurde Position, daß es schwierig ist, zu sehen, wie man sie konkret formulieren könnte. es ist eine unausweichliche Tatsache, daß das menschliche Verhalten in einer Vielfalt von Weisen eingeschränkt wird, z.B. vom Gesetz der Schwerkraft oder von der Tatsache, daß, wenn die Körpertemperatur unter einem bestimmten Niveau fällt, wir sterben. Aber der starke, eher als der absolute, Indeterminismus genießt weite Verbreitung. Durch den starken Indeterminismus meine ich die Leugnung jeder umfassenden Gestalt oder Muster der Entwicklung in der Geschichte und die Betonung der Rolle der Individuen als Meister der eigenen Geschichte und Macher der Geschichte. In den letzten Jahren ist der Postmodernismus mit seiner „Ungläubigkeit gegenüber umfassenden Geschichten“ [1*], [20] der vorherrschende akademische Vertreter dieser Ansicht gewesen. In dieser Hinsicht singen die Postmodernisten ein altes Lied, das seit langem von bürgerlichen Historikern verschiedener Glaubensrichtungen intoniert worden ist. Es untermauert auch unzählige mittelmäßige journalistische Darlegungen über Ereignissen rein angesichts der Launen und Persönlichkeiten der einzelnen Politiker und Führer, und es findet einen Ausdruck in zahlreichen Redewendungen wie: „Das Leben ist das, was man daraus macht“, „Wenn man an sich selbst glaubt, ist alles möglich“ oder „Wenn man etwas sehr genug will, kann man es bekommen“. [2*]

Solcher starke Indeterminismus muß uns nicht lange aufhalten. Er ist offensichtlich ideologisch, indem er dazu dient, alle wirklichen gesellschaftlichen Kräfte zu verhüllen, die Konzentration und die Strukturen der Ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Macht, die sowohl Individuen gestalten als auch ihre Handlungsfreiheit beschränken. Er wirkt zuungunsten jedes Versuchs, die Geschichte bewußt zu machen oder die Gesellschaft zu ändern, indem er die Geschichte und die Gesellschaft unverständlich macht. Er ist auch offensichtlich falsch. Es stimmt einfach nicht, daß die meisten Kinder aus der Arbeiterklasse aufwachsen und Hirnchirurgen oder Filmstars werden, wenn sie hart genug versuchen. Ganz abgesehen von Faktoren wie der frühen Sozialisierung, der ökonomischen Armut und der schlechten Bildung, gibt es die einfache Tatsache, daß die Zahl der freien Stellen für Hirnchirurgen bzw. Filmstars streng begrenzt ist. Der starke Indeterminismus wird durch die elementarsten soziologischen Beweise wie die Bildungs-, Kriminalitäts- oder Gesundheitsstatistiken widerlegt, die trotz ihrer zahlreichen Problemen und Beschränkungen alle über alle ernsthaften Zweifel hinaus den mächtigen Einfluß, unter vielen anderen Sachen, der sozialen Klassenherkunft auf Lebenschancen und soziales Verhalten demonstrieren.

Es ist ebenso unmöglich, nach dem starken Indeterminismus zu leben, wie nach dem absoluten Determinismus. Das Alltagsleben hängt von der Fähigkeit ab, sowohl Naturerscheinungen als auch menschliche Aktionen vorherzusagen: daß es im Winter kalt und im Sommer wärmer sein wird; Das Gerstesamen Gerste und nicht Weizen erzeugen wird; daß die Buslinie 17 ins Stadtzentrum fährt; daß, wenn man einem Unternehmer die Arbeitskraft verkauft, man am ende der Woche bezahlt wird. Die Vorhersagen müssen nicht genau oder sicher sein – wir alle wissen, daß es manchmal milde Winter gibt, daß ernten manchmal scheitern, daß Busse manchmal Pannen haben, und daß Unternehmer manchmal pleite gehen – aber es gibt einen Grad der Regelmäßigkeit und der Vorhersagbarkeit, oder unser gesellschaftliches Leben würde unmöglich sein. Ein Grad der Vorhersagbarkeit hängt von einem Grad des Determinismus ab.

Aber wenn man den absoluten Determinismus sowie den absoluten bzw. starken Indeterminismus ablehnen muß, läßt das den relativen Determinismus als die einzige praktische Wahl. Wenn man den relativen Determinismus als allgemeinen Standpunkt annimmt, dann brauchen wir von de Natur- sowie den Gesellschaftswissenschaften Theorien, die uns erklären, was bestimmt wird und was nicht, und die für konkrete Situationen den Ausmaß und die Grenzen des Bestimmten und den Ausmaß und die Grenzen derjenigen Sachen feststellen, die durch die menschliche Entscheidung und Einmischung geändert werden können. Das braucht man für den Alltagsleben, für den Ackerbau, für die Herstellung von Waren und Werkzeugen, für die Planung einer Reise und für das Autofahren. Das braucht man auch auf einer höheren ebene in einer systematischeren Weise für das Projekt der bewußten Änderung der Gesellschaft.

Jeder Kurs der politischen Aktion, jede strategische und taktische Entscheidung hängt von Beurteilungen darüber was bestimmt ist und was nicht. Zum Beispiel: Wenn die Ideologie von sozialen Gruppen keineswegs durch ihre ökonomische Lage und ihr Klasseninteresse bestimmt wird, dann wäre das utopisch-sozialistische Projekt der Überzeugung der herrschenden von den Tugenden einer sozialistischen Gesellschaft realisierbar. Wenn andererseits die Ideologie der Individuen oder der sozialen Gruppen mechanisch oder absolut von ihren Klasseninteressen bestimmt wird, gäbe es keinen Punkt, zu versuchen, überhaupt jemanden von irgend etwas zu überzeugen, keinen Punkt in jeder Form des politischen Arguments oder der politischen Propaganda.

Was der Marxismus besser als jede andere Theorie ist gerade das: eine Darstellung davon, was in der menschlichen Geschichte und Gesellschaft unabhängig von unserem Willen bestimmt wird, und was man durch bewußte Intervention ändern kann. Gerade das macht den Marxismus „nicht ein Dogma, sondern eine Richtlinie für das Handeln“ im Kampf um die Arbeiterrevolution und die menschliche Befreiung.

Zu diesem Zeitpunkt ist es notwendig, ein offenbares Paradox zu merken. Vorausgesetzt, daß man vor dem absoluten Determinismus hält, die den begriff der menschlichen Freiheit bedeutungslos macht, stehen der Determinismus (im theoretischen Sinne) und die Freiheit nicht notwendigerweise in einem verkehrten Verhältnis. Ganz im Gegenteil, je höher das Niveau des menschlichen Verständnisses der natürlichen und gesellschaftlichen Kräfte ist, die unser Leben bestimmt, desto mehr in der Praxis dehnen sich die menschliche Auswahl und Freiheit aus. Für den Verständnislosen machen die Gesetze der Natur das Fliegen unmöglich, aber ein raffiniertes Verständnis dieser Gesetze (zusammen mit der Anwendung der menschlichen Arbeit) hat das Fliegen zum Gemeinplatz gemacht.

Ein anderer Begriff, worauf man hier andeuten muß, ist der „probabilistische [wahrscheinlichkeitsmäßige] Determinismus“ (schon erwähnt in bezug auf die Quantenmechanik). einige Sachen sind sehr stark bestimmt und deswegen fast unvermeidlich; einige Sachen sind sehr wahrscheinlich, aber nicht sicher; einige Sachen sind wahrscheinlich; einige Sachen sind in der Schwebe. Sachen, die im Einzelfall bloß wahrscheinlich sind, werden zunehmend sicher, wenn die Zahl der Fälle steigt. Es ist sicher, daß ich sterben werde. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, daß ich morgen sterben werde. Es ist wahrscheinlich, aber nicht sicher, daß ich vor meinem 100. Geburtstag sterben werde. Aus einer Million Menschen ist es fast sicher, daß die überwiegende Mehrheit vor dem 100. Geburtstag sterben werden. Wenn es nur geringfügig wahrscheinlicher ist, daß ein Kind aus den Mittelschichten eher zur Universität gehen wird als ein Arbeiterkind, dann ist es fast sicher, daß ein höherer Prozentsatz von mittelständischen Kinder als Gesamtheit zur Universität gehen wird.

Der Begriff des probabilistischen [wahrscheinlichkeitsmäßigen] Determinismus ist politisch wichtig in mindestens drei Weisen. Erstens spielt er eine rolle im aktuellen Kampf gegen die Ideologie der herrschenden Ideologie. Die herrschende Klasse, die völlig dazu fähig ist, den probabilistischen [wahrscheinlichkeitsmäßigen] Determinismus zu begreifen, wenn es ihr paßt (z.B. bei der Bestimmung von Versicherungsprämien), leugnet ihn oft aus propagandistischen Gründen – wie, wenn er eine Verbindung zwischen Kriminalität und Arbeitslosigkeit leugnet. Zweitens ist er äußerst wichtig zum Verständnis der Geschichte. Nehmen wir die bekannte Frage über die Unvermeidlichkeit des Ersten Weltkriegs. Es macht keinen Sinn zu argumentieren, daß der Ausbruch des Kriegs genau am Anfang August 1914 unvermeidlich war. Princip hätte vielleicht mit seinem Schuß verpaßt, die österreichisch-ungarische Regierung hätte vielleicht anders reagiert usw. Noch sollte man sich dazu gezogen werden, die absolute Unvermeidlichkeit eines Weltkriegs zu irgendwelchem Zeitpunkt zu beweisen. Aber es macht guten Sinn zu argumentieren, daß, die wichtigen Rivalitäten vorausgesetzt, der Krieg überwiegend wahrscheinlich (oder fast unvermeidlich) war.

Drittens spielt er eine zentrale Rolle in der politischen Taktik. Die Entscheidung, einen Streik oder auch eine Demonstration aufzurufen, hängt zum beträchtlichen Teil von der Schätzung der objektiven Möglichkeit, daß solch eine Aktion stattfinden und ein Erfolg sein wird. Offensichtlich gibt es keine Weise, wie eine solche Schätzung zu einer genauen Wissenschaft gemacht werden könnte, aber man kann auch nicht darauf verzichten. Napoleons oft zitierte Maxime: „Zuerst angreifen, dann sehen wir“, drückt eine wichtige Wahrheit aus, aber nur innerhalb bestimmter Grenzen. Eine Armee, die sich an einer offenen Schlacht mit einem Feind beteiligt, der besser bewaffnet und vielmals größer ist, wird fast sicherlich niedergeschlagen werden, was auch der Fall für eine Armee sein wird, die in Rußland ohne Rücksicht auf den höchst deterministischen Wirkungen des russischen Winters einmarschiert.

Schließlich sollte man merken, daß, während der absolute Determinismus die bewußte politische Aktion zur Veränderung der Welt überflüssig macht, und der starke Indeterminismus sie hoffnungslos unwirksam macht, legt der relative Determinismus großen Wert auf solche Aktion. Wenn in einer gegebenen Lage ein bestimmtes wünschenswertes Ergebnis entweder wahrscheinlich, aber nicht garantiert, oder in der Schwebe ist, dann steigert jede Aktion in Richtung dieses Ergebnisses (vorausgesetzt natürlich, daß sie nicht kontraproduktiv ist) die Wahrscheinlichkeit, daß es passiert, und ist deshalb wertvoll. Angesichts dieser theoretischen Überlegungen werde ich jetzt den Ausmaß und die Grenzen des Determinismus in der marxistischen Theorie Geschichtstheorie untersuchen.

 

 

Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse

Marx’ Geschichtstheorie beginnt mit einer Behauptung, die äußerst einfach und offensichtlich ist:

... daß die Menschen imstande sein müssen zu leben, um „Geschichte machen“ zu können. Zum Leben gehört vor Allem Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere. [21]

Ohne Essen und Wasser sterben die Menschen. Das ist so einfach und offensichtlich, daß man sich vielleicht wundert, warum Marx sich darüber Gedanken macht (nicht bloß einmal, sondern wiederholt) [22], und warum ich mich damit aufhalte, es zu zitieren. Die Antwort besteht darin, daß es eine notwendige erste Voraussetzung ist, und daß „alle Geschichtsschreibung von diesen natürlichen Grundlagen und ihrer Modifikation im Lauf der Geschichte durch die Aktion der Menschen ausgehen muß“ [23], aber es gibt zahlreiche bürgerliche Theorien und Darstellungen der Geschichte und der Gesellschaft, die es zustande bringen, diesen grundsätzlichsten Punkt aus dem Auge zu verlieren, ihn zu verbergen bzw. ihm auszuweichen.

Aus der Notwendigkeit des Essens, des Trinkens, der Wohnung usw. folgt laut Marx, daß die Grundlage jeder Gesellschaft und aller menschlichen Geschichte die Produktion dieser Lebensmittel durch die gesellschaftliche Arbeit ist. Das Führt Marx zu einer weiteren Voraussetzung:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. [24]

Diese Voraussetzung läßt sich als die These zusammenfassen, daß die Entwicklungsstufe der Produktivkräfte die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse bestimmt (vorausgesetzt, daß wir vorläufig die genaue Bedeutung des Worts „bestimmen“ in diesem Zusammenhang offen lassen).

Es gibt keine Zweifel, daß innerhalb der „klassischen“ des Marxismus – die Linie, die ab Marx durch Engels, Lenin, Luxemburg und Trotzki läuft – diese These als den Eckstein des historischen Materialismus betrachtet worden ist. Gleichzeitig aber ist jeder Aspekt der Voraussetzung das Thema von heftigen Kontroversen gewesen, die mit der Bedeutung der Begriffe „Produktivkräfte“ und „Produktionsverhältnisse“ anfangen.

Häufig hat man die Produktivkräfte einfach als die zur Verfügung der Gesellschaft stehende Technik [Technologie] (Werkzeuge/Maschinerie) betrachtet – eine Interpretation, die als Basis dazu gedient hat, den Marxismus im wesentlichen als eine Theorie des technologischen Determinismus zu betrachten. Und sicherlich gibt es in Marx eine Passage, die, isoliert genommen, anscheinend diese Interpretation unterstützt, nämlich die berühmte Äußerung im Elend der Philosophie: „Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.“ [25] Später im gleichen Text schreibt Marx jedoch auch: „Von allen Produktivkräften ist die größte Produktivkraft die revolutionäre Klasse selbst.“ [26] Das deutet auf eine breitere Interpretation der Produktivkräfte nicht bloß als Maschinerie, sondern auch als die Arbeit der Produzenten. Zitate von Marx außer dieser letzteren Interpretation sind viel sinnvoller aus dem einfachen Grund, daß Werkzeuge und Maschinerie zuerst von menschlicher Arbeit produziert werden müssen und auch dann nichts selbst produzieren ohne den Einsatz von weiterer menschlichen Arbeit, um sie in Gang zu setzen. Außerdem ist die daran beteiligte Arbeit etwas mehr als eine Frage der Muskelkraft. Der hoher Entwicklungsstand der Technik [Technologie] hängt deutlich vom wissenschaftlichen Wissen ihrer Hersteller, während in vielen Arbeitsbereichen gelernte bzw. ausgebildete Arbeit produktiver ist als ungebildete Arbeit. Die Produktivkräfte sind deshalb am besten als die allgemeine Produktionsfähigkeit einer gegebenen Gesellschaft definiert.

Eine Ähnliche Wahl besteht zwischen engeren und breiteren Definitionen der Produktionsverhältnisse. Über diese Frage hat es jedoch drei Positionen gegeben. Die erste definiert die Produktionsverhältnisse als die gesetzlichen Eigentumsverhältnisse. Die zweite unterscheidet zwischen dem gesetzlichen Eigentum und dem effektiven Besitz bzw. Kontrolle, aber beschränkt immer noch die Definition der Produktionsverhältnisse auf Verhältnissen des effektiven Besitzes bzw. der Kontrolle über die Produktionsmittel. Die dritte betrachtet die Produktionsverhältnisse als die Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse, in die Individuen im Produktionsprozeß eintreten.

Die erste Position leidet unter dem ernsthaften Mangel, daß sie die Form über den Inhalt und die Erscheinung über die Realität erhebt und hat sich als größeres Hindernis bewiesen beim Verständnis der äußerst wichtige Erscheinung des Staatskapitalismus entweder in seiner voll entwickelten Form in Rußland oder in seiner partiellen Form in den verstaatlichten Industrien im Westen. Sie soll deshalb abgelehnt worden.

Der Unterschied zwischen der zweiten und der dritten Position läßt sich am besten deutlich machen, indem man darauf schaut, wie jede Definition die Produktionsverhältnisse im Kapitalismus aufführt. Laut ersterer bestehen die Produktionsverhältnisse nur aus den Verhältnissen zwischen einerseits der Kapitalistenklasse als Besitzern bzw. denjenigen mit Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und denjenigen, die die Arbeitskraft einstellen, und andererseits der Arbeiterklasse als Nichtbesitzern der Produktionsmitteln und Verkäufern der Arbeitskraft. Laut letzteren bestehen sie aus diesen Verhältnissen plus den gegenseitigen Verhältnissen zwischen Arbeitern und Arbeitern, zwischen Arbeitern und Aufsehern, zwischen Aufsehern und Leitern, zwischen Leitern und Besitzern, zwischen Besitzern und Besitzern usw.

Hier hat die engere Definition den Vorteil, daß sie diejenigen gesellschaftlichen Verhältnisse betont, die den Kapitalismus als System und seine grundsätzlichen Klassen – Bourgeoisie und Proletariat – definieren, aber sie hat auch bestimmte Nachteile. Sie kann entweder zu einer übervereinfachten Ansicht über die Klassenstruktur führen als etwas, daß ausschließlich aus Kapitalisten und Arbeitern ohne Zwischenschichten besteht, oder zu einer Theoretisierung dieser Zwischenschichten eher durch ihren Konsum und Lebensstil als durch ihre Produktionsverhältnisse. Sie führt auch zu einer bemerkenswert statischen Ansicht über die Produktionsverhältnisse, worin diese über Jahrhunderte der ökonomischen Entwicklung unverändert bleiben. so würde man halten, daß die riesige Umwandlung vom frühen industriellen Kapitalismus zum gegenwärtigen multinationalen Kapitalismus, von einem von relativ kleinen individuell geleiteten Firmen im Einzelbesitz dominierten Kapitalismus zu einem von riesigen bürokratisch geleiteten multinationalen Korporationen dominierten Kapitalismus keine Änderung der Produktionsverhältnisse bedeutet. Eine solche Schlußfolgerung steht im klaren Widerspruch zu Marx’ berühmter Erklärung im Kommunistischen Manifest: „Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftliche Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren.“ [27]

Schließlich gibt es die einfache Tatsache, daß Verhältnisse zwischen Arbeiter und Arbeiter, zwischen Arbeiter und Aufseher usw., deutlich gesellschaftliche Verhältnisse, die man im Produktionsprozeß eintritt, d.h. Produktionsverhältnisse sind.

Aus all diesen Gründen ist die Annahme der breiteren und flexibleren Definition vorzuziehen. Dabei ist es jedoch notwendig, daß man den Unterschied zwischen allmählichen quantitativen Verschiebungen in den Produktionsverhältnissen, die die Klasse nicht ändern, welche die Produktionsmittel besitzt bzw. Kontrolle darüber hat, und grundsätzlichen qualitativen Änderungen, die das machen. Erstere Änderungen beeinflussen das Kräfteverhältnis innerhalb einer gegebenen Produktionsweise. Nur letztere kennzeichnen den Übergang von #einer Produktionsweise zur anderen.

Das bringt uns zur zentralen Frage der Bestimmung der Produktionsverhältnisse durch die Produktivkräfte. Wie gesehen, schreibt Marx im 1859 Vorwort von den „Produktionsverhältnissen, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen“. Er argumentiert dann:

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung gerate die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen ... Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. [28]

Diese ganze Vorstellung des Vorhangs der Produktivkräfte ist jedoch unter Angriff aus verschiedenen Richtungen gekommen. Wir haben schon das erwähnt, was historisch der bedeutendste dieser Angriffe war, den Maoismus. Die maoistische Behauptung, daß er den Sozialismus, oder sogar den vollständigen Kommunismus, innerhalb des Rahmens eines verarmten und überwiegend ländlichen Lands aufbaute, benötigte das Hinunterspielen der Bedeutung der Produktivkräfte. So argumentierte der Haupttheoretiker des Maoismus in Europa, Charles Bettelheim: „Was in China passiert, beweist das ein niedriges Niveau der Produktivkräfte kein Hindernis zu einer sozialistischen Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse bildet.“ [29] In diesem Fall wurde die Ablehnung des Vorhangs der Produktivkräfte mit einem extremen Idealismus und Voluntarismus verbunden, die die Rolle der Willenskraft und der politischen Führung im Gegensatz zu objektiven materiellen Umständen und gesellschaftlichen Kräften in einer Weise erhob, die einen vollständigen Bruch mit dem historischen Materialismus in allen Sinnen außer dem Namen bildete. Außerdem bewies das, was in China passierte, daß eine niedrige Entwicklungsstufe der Produktivkräfte nicht bloß ein Hindernis zur sozialistischen Umwandlung bildete, sondern auch zur Entwicklung des Staatskapitalismus in einem Land.

Überraschender, aber auch von größerem theoretischen Interesse ist die Tatsache, daß Alex Callinicos in seinem Buch Marxism and Philosophy für die These argumentiert hat, daß man „von den Produktionsverhältnissen anfangen und sie nicht die Produktivkräfte als die veränderliche Größe behandeln“ sollte. [30] Alex ist anscheinend zu diesem Schluß bekommen, um den passiven technologischen Determinismus der Zweiten Internationale sowie den weniger passiven, aber noch mechanischeren und dogmatischeren Determinismus des Stalinismus in seiner Blütezeit zu vermeiden. Zur Unterstützung seiner These zitiert Callinicos Marx’ Darstellung im Kapital davon, wie die kapitalistische Produktionsverhältnisse einen Anstoß zur Entwicklung der Produktivkräfte gab, die zur industriellen Revolution führte. Er argumentiert auch, daß der Vorrang der Produktivkräfte eher aus einer frühen unentwickelten Formulierung des historischen Materialismus in der Deutschen Ideologie als aus der reifen Version in späteren Schriften entsteht (wobei das 1859er Vorwort als „technologischen Determinismus“ und „zum großen Teil eine Zusammenfassung der Deutschen Ideologie“ abgelehnt wird). [31]

Aus Gerechtigkeit gegenüber Alex muß man sagen, daß er nicht mehr diese Position vertritt. Nichtsdestotrotz ist es nützlich, diese Argumente in Betracht zu ziehen, und bei ihrer Betrachtung muß man erkennen, daß die Produktionsverhältnisse einen mächtigen Einfluß auf die Produktivkräfte ausüben. Das ist sowohl empirisch beweisbar als auch in Marx’ klassischer Formulierung zugelassen. Das 1859er Vorwort deutet auf zwei mögliche Arten Einfluß der Verhältnisse auf die Produktivkräfte: Sie können „Entwicklungsformen“ sein (was, nehme ich an, auch die positive Ermutigung ihrer Entwicklung einschließt), oder sie können „Fesseln“ werden (d.h. sie können ihre Entwicklung bremsen oder verhindern). In Wirklichkeit zeigt Marx’ Analyse der Widersprüche des Kapitalismus – vor allem der Tendenz zur Überproduktion und der Tendenz zum Fall der Profitrate –, daß kapitalistische Produktionsverhältnisse gleichzeitig sowohl die Produktivkräfte nach vorne treiben, als auch sie zurückwerfen, wobei die Entwicklungstendenz in Zeiten des Aufschwungs und die „Fessel“-Tendenz in Zeiten des Abschwungs vorherrscht, und die Tendenz zum Abschwung steigert, als das System älter wird.

Nichtsdestotrotz gibt es starke Gründe dafür, den Vorrang der Produktivkräfte weiter zu behaupten und die Produktionsverhältnisse als eine zweitrangige oder abgeleitete „Rückwirkung“ auf die Produktivkräfte. [32] Der wichtigste Grund dafür ist, daß, wenn der Vorrang den Produktionsverhältnissen gewährt wird, dann gibt es keine Erklärung dafür, warum die Produktionsverhältnisse in einer bestimmten Gesellschaft oder Epoche so sind, wie sie sind. Der begriff“Produktionsverhältnisse schwebt sozusagen in der Luft und die Geschlossenheit des historischen Materialismus als Gesamttheorie der historischen Entwicklung wird vernichtet. Im Prozeß werden zwei andere Grundsätze des klassischen Marxismus unterminiert: die Theorie der Revolution als etwas, das ihre Wurzeln im Konflikt zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen hat, und die Theorie, daß die grundsätzliche Voraussetzung des Sozialismus die Entwicklung der Produktivkräfte zu einem Punkt ist, wo es möglich ist, ein annehmbares Leben für alle zu liefern. [33] Das gleiche Problem entsteht jedoch nicht, wenn man die Produktivkräfte als vorrangig betrachtet, da das Bestehen und das Wachstum der Produktivkräfte letzten Endes durch den Kampf darum erklärt werden, den biologisch gegebenen menschlichen Bedürfnissen zu entsprechen, die selbst das Produkt der natürlichen Evolution sind.

Ein zusätzliches Argument für diese Position besteht darin, daß es der großen Mehrheit der klassischen Darlegungen des historischen Materialismus von Marx und Engels entspricht, nicht bloß im 1859er Vorwort und in der Deutschen Ideologie, sondern auch im Elend der Philosophie, im Kommunistischen Manifest, im Anti-Dühring, im Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats und anderswo. Auch das Zitat aus dem Kapital, das Alex als eins auswählt, das seine Position unterstützt, enthält einen Bezug auf den schließlichen Vorrang der Produktivkräfte, der die Formulierung im 1859er Vorwort sehr ähnlich ist:

Es ist jedesmal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten – ein Verhältnis, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft entspricht –, worin wir das innerste Geheimnis, die verborgne Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion ... finden. [34] (Meine Hervorhebung – JM)

Schließlich hat Chris Harman überzeugende theoretische und empirische Unterstützung für den Vorrang der Produktivkräfte in bezug auf den wichtigen Musterfall des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus geliefert. Der einflußreiche amerikanische Marxist Robert Brenner hat argumentiert, daß dieser Übergang sich hauptsächlich eher durch den Klassenkampf auf dem Land zwischen Herren und Bauern (d.h. die Produktionsverhältnisse) als durch die Entwicklung des Handels, der Industrie und der Bourgeoisie in den Städten (die Produktivkräfte) erklären läßt. Gegen Brenner und die früheren Theorien von Pirenne, Sweezy und Wallerstein stützt sich Harman auf der Arbeit von Le Goff, Kriedte und anderer Historiker, um – in einer entwickelteren Form – Marx’ Darstellung der „Weise [zu bestätigen], wie das Wachstum der Produktivkräfte innerhalb des Feudalismus neue Produktionsverhältnisse aufwarf, Verhältnisse, die in Konflikt mit der alten Gesellschaft gerieten und zur bürgerlichen Revolution führte, ... die in den Städten ihren Mittelpunkt hatte ..., und die von der Revolte der ländlichen Klassen verstärkt wurde“. [35]

Aber wenn die Produktivkräfte vorrangig sind und ihre Entwicklungsstand der Ausgangspunkt für alle marxistische historische Analyse sein muß, kann ihre Beziehung zu den Produktionsverhältnissen nicht eine der mechanischen bzw. automatischen Bestimmung sein. Jede Vorstellung der automatischen Bestimmung hier wird durch die historische Tatsache der sozialen Revolution widerlegt, da soziale Revolution gerade eine radikale Umwandlung der Produktionsverhältnisse auf der Basis einem gegebenen Entwicklungsniveau der Produktivkräfte bedeutet. In Rußland unterschieden sich die Produktionsverhältnisse 1918 beträchtlich von denen, die 1916 bestanden hatten, während die Produktivkräfte, wenn überhaupt, eher zurückgegangen waren. Außerdem wäre Marx Vorstellung, daß die Produktivkräfte in Konflikt mit den bestehenden Produktionsverhältnissen geraten könnten, unmöglich, wenn es eine absolute oder mechanische Bestimmung der Kräfteverhältnisse gäbe. Offensichtlich stehen wir deshalb wieder im Bereich des relativen Determinismus. Das Wesen dieses relativen Determinismus ist meines Erachtens am besten als eine Kombination des Zwangs und des Anstoßes.

Andererseits setzt das Entwicklungsniveau der Produktivkräfte bestimmte Schranken auf die Produktionsverhältnisse, die zu einem gegebenen Zeitpunkt möglich sind. So wurden während der frühsten Etappen der menschlichen Geschichte, als die Produktivkräfte die Menschen auf das nomadische Jagen und Sammeln beschränkte, ausbeuterische Produktionsverhältnisse (d.h. die Aufteilung der Gesellschaft in Klassen) ausgeschlossen. Die Produktivkräfte in Europa während des 11. Jahrhunderts schlossen aber die Möglichkeit des Urkommunismus sowie der modernen sozialistischen Produktionsverhältnisse aus. Die Bevölkerung (selbst eine Produktivkraft) hatte lange her bei weitem die Zahl der Menschen überschritten, die durch das Jagen und Sammeln unterhalten werden könnten, und ein Überschuß wurde erzeugt, der es der herrschenden Klasse ermöglichte, bewaffnete Streitkräfte zu unterstützen, die leicht jedes Experiment mit dem primitiven Egalitarismus niederschlagen könnten. Gleichzeitig waren die Produktivkräfte nur dazu ausreichend, ein anständiges leben für eine winzige Minderheit zu unterstützen: egal wie man die Produktion organisierte und Güter verteilte, war es nicht möglich, die Mehrheit der Bevölkerung als Ganzer von der Armut, der Armut und einem Leben der der endlosen Schufterei zu befreien. Im Gegensatz dazu schließen die Produktivkräfte in der gegenwärtigen Gesellschaft den Urkommunismus sowie feudale Produktionsverhältnisse aus: sie ermöglichen nur kapitalistische oder sozialistische Produktionsverhältnisse, oder genauer gesagt, Verhältnisse, die zum Sozialismus übergehen.

Andererseits erzeugte die Entwicklung der Produktivkräfte in Europa mindestens ab dem 15. Jahrhundert einen mächtigen Anstoß zum Aufstieg der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die, wie Marx es ausdrückte, „in den Fugen der feudalen Gesellschaft“ entwickelten. [36] Ab Anfang des 19. Jahrhunderts hat die Entwicklung der Produktivkräfte einen zunehmend mächtigen Anstoß zum Sozialismus geschaffen. Die zunehmende Sozialisierung [Vergesellschaftung] der Produktion, das Wachstum der Weltarbeiterklasse, der Aufstieg der Weltwirtschaft, Die Fortschritte der Naturwissenschaft und der Technik [Technologie] (mit ihrem riesigen Zerstörungs- sowie Aufbaupotential) drücken alle die Menschheit in die Richtung des gesellschaftlichen Eigentums und der demokratischen Planung.

Aber die historische Erfahrung hat eindeutig gezeigt, daß die Entwicklung der Produktivkräfte an sich nicht ausreicht, um den Übergang von einer Produktionsweise zu einer anderen zu bestimmen, entweder vom Feudalismus zum Kapitalismus oder vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sie ist eine notwendige, aber nicht eine ausreichende Bedingung. So daß ein solcher Übergang passiert, ist es auch notwendig, daß eine neue gesellschaftliche Klasse (deren Aufstieg sowohl vom Wachstum der Produktivkräfte bestimmt wird, als auch Teil davon ist) tatsächlich die alte herrschende Klasse (die ihre Position der alten Produktionsweise verdankt und ein persönliches Interesse an ihrer Wahrung hat) stürzen und ihr die Staatsmacht entreißen sollte. Gerade in diesem Sinne ist der Klassenkampf die Triebkraft der Geschichte.

 

 

Anmerkungen:

1. Marx, 11. These über Feuerbach, in Marx u. Engels, Ausgewählte Werke (später MEAW), Bd.1, Berlin 1986, S.200.

2. Friedrich Engels, Das Begräbnis von Karl Marx, in Marx u. Engels, Werke (später MEW), Bd.19, Berlin 1962, S.336.

3. Marx u. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in MEAW, Bd.I, S.430.

4. Marx u. Engels, Revue. Mai bis Oktober 1850, in Der Bund der Kommunisten: Dokumente und Materialien, Bd.2, Berlin 1982, S.317-8.

5. Karl Marx, Das Elend der Philosophie, in Marx u. Engels, MEAW, Bd.I, S.287.

6. Für eine vollständigere Analyse des Kautskyanertums s. J. Molyneux, What is the Real Marxist Tradition?, London 1985. [Deutsche Übersetzung: Was ist Marxismus?]

7. A. Gramsci, Selections from the Prison Notebooks, London 1971, S.336.

8. C. Guevara, Guerilla Warfare, New York 1967.

9. s. insbesondere W.I. Lenin, Der Linksradikalismus – Kinderkrankheit des Kommunismus.

10. s. z.B. Ygael Gluckstein, Mao’s China, London 1957; Nigel Harris, The Mandate of Heaven, London 1978; T. Cliff, Permanente Revolution, in China und die Revolution in der Dritten Welt, Frankfurt/M. 1971.

11. s. Paul McGarr, Order out of Chaos, in International Socialism 2:48, insbesondere S.140-2.

12. R. Miliband, Class Power and State Power, London 1983, S.132.

13. Marx, 2. These über Feuerbach, in MEAW, Bd.I, S.196.

14. A. Gramsci, a.a.O., S.336.

15. Marx, 3. These über Feuerbach, in MEAW, Bd.I, S.199.

16. Eine Darlegung dieser Entwicklungen für einen Laien wie mich wird von P. McGarr, a.a.O., geliefert. McGarr diskutiert auch ihre Implikationen für den Determinismus und argumentiert überzeugend: a) daß die Chaostheorie einen wirklichen Fortschritt in unserem wissenschaftlichen Verständnis der Welt bildet; b) daß sie nicht eine „Bedrohung“ bzw. ein Problem für den echten Marxismus darstellt.

17. ebenda, S.147.

18. Gramsci, a.a.O., S.336-7.

19. L. Trotzki, Mein Leben, Berlin 1990, S.204.

20. J.F. Lyotard, The Postmodern Condition: A Report on Knowledge, Mimosa u. Manchester 1984, S.xxiii.

21. Marx u. Engels, Die deutsche Ideologie, in MEW, Bd.3, Berlin 1978, S.8.

22. ebenda, S.20-1 u. 29-30.

23. ebenda, S.21.

24. Marx, Vorwort, Zur Kritik der politischen Ökonomie, in MEW, Bd.13, Berlin 1964, S.8.

25. Marx, Das Elend der Philosophie, in MEAW, Bd.I, S.287

26. ebenda, S.311.

27. Marx u. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in MEAW, Bd.I, S.419.

28. Marx, Vorwort, Zur Kritik der politischen Ökonomie, in MEW, Bd.13, S.9.

29. C. Bettelheim, Class Struggles in the USSR, Hassocks 1976, S.62. Für eine Kritik von Bettelheim s. A. Callinicos, Marxism, Stalinism and the USSR, International Socialism 2:5.

30. A. Callinicos, Marxism and Philosophy, Oxford 1983, S.112. Der Hauptteil von Alex’ Argument für diese These befindet sich ebenda, S.48-52.

31. ebenda, S.51.

32. Dieser Begriff „Rückwirkung“ stammt aus einem Brief von Engels an Conrad Schmidt, 27. Oktober 1890, MEW, Bd.37, Berlin 1967, S.490, wo er verwendet wird, um den Einfluß der Staatsmacht auf die Wirtschaft zu beschreiben.

33. In der Deutschen Ideologie machte Marx die berühmte Behauptung: „... diese Entwicklung der Produktivkräfte [ist] ... eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte ...“, a.a.O., S.34-5. Außerdem gründeten Trotzki sowie Cliff ihre Analyse der Degeneration der Russischen Revolution auf dieser Einsicht.

34. Marx, Das Kapital, Bd.3, Berlin 1978, S.799–800, zit in A. Callinicos, a.a.O., S.50. Alex’ Versuch, den Vorrang der Produktionsverhältnis zu verteidigen, indem er den „reifen“ historischen Materialismus des Kapitals der „groben“ Version in der Deutschen Ideologie gegenüberstellt, ist nicht konsequent. Er erzählt uns: „Marx löste diese Unklarheit, indem er im Elend der Philosophie (1847) den Begriff Produktionsverhältnisse einführte“ (S.49), und: „Mit der expliziten Formulierung des Begriffs Produktionsverhältnisse ... läßt sich der historischen Materialismus als vollständig gebildet betrachten“ (S.51). Trotzdem legt sich, wie gesehen, Das Elend der Philosophie auf den Vorrang der Produktivkräfte fest; s. Anm.26 [?] oben.

35. C. Harman, From Feudalism to Capitalism International Socialism 2:45, S.82.

36. Marx, WO?

 

Anmerkungen des Übersetzers

1*. Auf Englisch “metanarratives”, ein Beispiel von der undurchsichtigen Sprache die von diesen Theoretikern verwendet wird.

2*. Wortwörtliche Übersetzungen von drei englischen Redewendungen: “Life is what you make of it”, “If you believe in yourself everything is possible” und “If you want something badly enough you can get it”.

 


Zuletzt aktualisiert am 7.8.2001