Eberhard Becker

 

Karl Marx und Friedrich Engels
über
Gewerkschaften und ökonomischen Kampf

 

III. Die politische Funktion der Gewerkschaften

Marx und Engels sind bei der Analyse der objektiven Tendenz der ökonomischen Entwicklung nicht stehengeblieben.

Da nun die Tendenz der Dinge in diesem System solcher Natur ist, besagt das etwa, daß die Arbeiterklasse auf ihren Widerstand gegen die Gewalttaten des Kapitals verzichten und ihre Versuche aufgeben soll, die gelegentlichen Chancen zur vorübergehenden Besserung ihrer Lage auf die bestmögliche Weise auszunützen ? Täte sie das, sie würden sich selbst unweigerlich der Fähigkeit berauben, irgendeine umfassende Bewegung ins Werk zu setzen. [36]

Alle diese Einwände der bürgerlichen Ökonomisten sind wie gesagt richtig, aber nur richtig von ihrem Gesichtspunkt aus. Handelte es sich in den Assoziationen wirklich nur um das> worum es sich zu handeln scheint, nämlich um die Bestimmung des Arbeitslohns, wäre das Verhältnis von Arbeit und Kapital ein ewiges, so würden die Koalitionen an der Notwendigkeit der Dinge scheitern. [37]

Auf der anderen Seite sind die Gewerksgenossenschaften, ohne daß sie sich dessen bewußt werden, zu Organisationszentren der Arbeiterklasse geworden, wie es die mittelalterlichen Municipalien und Gemeinden für das Bürgertum waren. Wenn die Gewerksgenossenschaften notwendig sind für den Guerrillakrieg zwischen Kapital und Arbeit, so sind sie noch weit wichtiger als organisierte Kraft zur Beseitigung des Systems der Lohnarbeit und Kapitalherrschaft selbst. [38]

Ähnlich heißt es über die Gewerkschaften in der Schrift Arbeitslohn:

Aber sie sind das Mittel der Vereinigung der Arbeiterklasse zum Sturz der ganzen alten Gesellschaft mit ihren Klassengegensätzen. Und von diesem Standpunkt aus lachen die Arbeiter mit Recht über die klugen bürgerlichen Schulmeister, die ihnen vorrechnen, was ihnen dieser Bürgerkrieg an Gefallenen, Verwundeten und Geldopfern kostet. Wer den Gegner schlagen will, wird nicht die Kosten des Krieges mit ihm diskutieren. Und wie wenig die Arbeiter so engherzig sind, beweist den Ökonomen selbst der Faktor, daß die bestbezahlten Fabrikarbeiter die meisten Koalitionen machen und daß die Arbeiter alles, was sie abknapsen können von ihrem Lohn, auf Bildung politischer und industrieller Assoziationen und Bestreitung der Kosten dieser Bewegung verwenden. Und wenn die Herren Bourgeois und ihre Ökonomen in philantropischen Augenblicken so gnädig sind, in das Minimum des Arbeitslohns, d.h. des Lebens, etwas Tee oder Rum oder Zucker und Fleisch eingehen zu lassen, so muß es ihnen dagegen ebenso unbegreiflich als schändlich erscheinen, daß die Arbeiter in dies Minimum ein wenig die Kriegskosten gegen die Bourgeoisie einrechnen und daß sie aus ihrer revolutionären Tätigkeit sogar das Maximum ihres Lebensgenusses machen. [39]

Ähnlich stellte für Engels die Assoziation der Arbeiter ein Teil des Kampfes gegen das System selbst dar, insofern sie die Konkurrenz unter den Arbeitern aufhebt und so in dem Kampf des „Menschen“ gegen ein System, in dem er nur Sache ist, sich das Proletariat als historisches Subjekt bildet:

Beschließen die Arbeiter, sich nicht mehr kaufen und verkaufen zu lassen, treten sie bei der Bestimmung, was denn eigentlich der Wert der Arbeit sei, als Menschen auf die neben der Arbeitskraft auch einen Willen haben, so ist es aus mit der ganzen heutigen Nationalökonomie und den Gesetzen des Lohns ... Die Notwendigkeit zwingt sie, nicht nur einen Teil der Konkurrenz, sondern die Konkurrenz überhaupt aufzuheben – und das werden sie auch tun. [40]

Wenn der erste Zweck des Widerstandes nur die Aufrechterhaltung der Löhne war, so formieren sich die anfangs isolierten Koalitionen in dem Maß, wie die Kapitalisten ihrerseits sich behufs der Repression vereinigten zu Gruppen, und gegenüber dem stets vereinigten Kapital wird die Aufrechterhaltung der Assoziationen notwendiger als die des Lohns .... In diesem Kampf – ein veritabler Bürgerkrieg – vereinigen und entwickeln sich alle Elemente für eine kommende Schlacht. Einmal auf diesem Punkt angelangt, nimmt die Koalition einen politischen Charakter an. Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für die Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist die Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf ... findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf [41]

Im Kommunistischen Manifest heißt es:

Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe [zur Verteidigung der Lebensverhältnisse] ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikationsmittel, die von der großen Industrie erzeugt werden und die Arbeiter der verschiedenen Lokalitäten in Verbindung setzen. Es bedarf aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter zu einem nationalen, zu einem Klassenkampf zu zentralisieren. [42]

 

 

Anmerkungen

36. K.Marx, Lohn, Preis, Profit, a.a.O., S.151f

37. K. Marx, Arbeitslohn, a.a.O., S.554f

38. K. Marx, Instruktionen, a.a.O., S.197

39. K. Marx, Arbeitslohn, a.a.O., S.554f

40. F. Engels, Die Lage der Arbeitenden Klasse, a.a.O., S.436f

41. K. Marx, Das Elend der Philosophie, a.a.O., S.180f

42. K. Marx, F. Engels, Das Kommunistische Manifest, a.a.O., S.471

 


Zuletzt aktualisiert am 17.8.2001