Tony Cliff und Colin Barker

 

Revolte der Arbeiter

 

V. Die Lohnseite

 

Staatliche Lohnverhandlungen und Lohnabweichung

Der Lohn der Arbeiter ist abhängig vom zwei wichtigen Faktoren: erstens von den Verhandlungen der staatlichen Gewerkschaften oder Gewerkschaftsgruppen mit den entsprechenden Unternehmerverbänden für die einzelnen Industriezweige und zweitens von den Verhandlungen auf Betriebsebene. Allgemein werden die Mindestlöhne auf staatlicher Ebene ausgehandelt, während auf der Lokalebene Verhandlungen über Stück- und Akkordlohn, Prämien und Fragen der Arbeitsorganisation geführt werden. Allerdings betreffen diese Verhandlungen auf zwei Ebenen nicht alle Arbeiter. Wo es nur einen Unternehmer gibt, der einen Standardlohn für alle bei ihm beschäftigten Arbeiter festsetzt – wie im öffentlichen Dienst, bei der Eisenbahn und den Bussen, und im Lehrbetrieb – trifft das Zwei-Ebenen-System nicht zu. Allgemein trifft das Zwei-Ebenen-System auf fast den gesamten privaten Sektor zu, mit Ausnahme der im großen Maße zentralisierten Wirtschaftszweige, wie es die Banken darstellen.

Wo nur Verhandlungen auf einer Ebene durchgeführt werden, muß das staatliche, kollektive Übereinkommen den tatsächlichen Lohn, den die Arbeiter tatsächlich erhalten, sehr genau untersuchen. [1] Der meiste Lohnabbau, den wir später noch behandeln werden, findet in Industriezweigen mit dem Zwei-Ebenen-System statt; aber ein Zwei-Ebenen-System übt einen großen, wenn auch indirekten Druck, auf das Ein-Ebenen-System aus, da die Arbeiter in einem Industriezweig ihren tatsächlichen Verdienst mit dem der Arbeiter in anderen Industriezweigen vergleichen, Dieser Vorgang ist als „Bockspringen“ bezeichnet worden. Staatliche Verhandlungen in den Zwei-Ebenen-System zwischen der Gewerkschaft oder Gewerkschaftsgruppen und Unternehmerorganisationen bestimmen den Mindestlohn für eine bestimmte Industrie Das ist jedoch nicht notwendigerweise der Betrag, den die Arbeiter verdienen. So betrug beispielsweise 1964 der Tarif nach Stunden für einen Maschinenschlosser £ 10 11s 8d; die tatsächlichen durchschnittlichen Löhne aber für alle Maschinenschlosser mit Stundentarif (Überstunden ausgeschlossen) betrugen £ 16. [2] Die Differenz zwischen den staatlich ausgehandelt Lohntarifen und den tatsächlichen Löhnen nennt man „Lohnabweichung“.

Seit 1948 ist der Tariflohn im Verhältnis zu den durchschnittlichen Löhnen in den meisten Industriezweigen gefallen, während die Bedeutung der zusätzlichen Verdienste – die Differenz zwischen den staatlich verhandelten Tariflöhnen und den Reallöhnen (Überstunden ausgeschlossen) – zugenommen hat. Im Verhältnis zum Verdienst wuchsen die, zusätzlichen Löhne in der Herstellungsindustrie von 19% im Jahre 1948 auf ungefähr 26% im Jahre 1959. [3]

Wenn auch Lohnabweichung – eine zunehmend wichtige Rolle für die Wirtschaft seit dem Kriege gespielt hat, variiert sie ganz beträchtlich zwischen den verschiedenen Industriezweigen, was zu einem großen Teil von der Stärke und Organisation den Arbeiter in den verschiedenen Firmen abhängt, Die folgende Tafel soll dies Illustrieren: [4]

Geschätzter Anteil der Zusatzlöhne bei dem Verdienst für ein Standard-Woche, Oktober 1959.

Leder, Lederwaren u. Pelze

13,9%

Lebensmittel, Getränke u. Tabak

14,5%

Papier u. Druck

17,8%

Chemikalien u. damit verbundenen Handel

27,1%

Metallverarbeitende Industrien

27,4%

Metallherstellung

29,3%

In der Bauindustrie ist die Lohnabweichung sehr groß. Der tatsächliche Zuschlag beträgt beispielsweise für die Bauarbeiter in London oft ungefähr 5 oder 6 Shilling pro Stunde, während das Drei-Jahres-Abkommen, das kürzlich unterzeichnet wurde, den Bauarbeitern ein Anwachsen von 9½ Pennies pro Stunde über drei Jahre versprach.

Eigentlich ist der Ausdruck „Lohnabweichung“ ein wenig irreführend. Es müßte vielmehr Lohnantrieb heißen, da es das Ergebnis des Drucks ist, den die Arbeiter in den besser organisierten Industrien und Firmen unter der Bedingung der Vollbeschäftigung ausüben.

Der Druck der Lohnabweichung (oder des Lohnantriebs) auf den allgemeinen Standardverdienst ist viel größer, als aus der einfachen Errechnung des Anteils der Lohnabweichung an dem staatlich vereinbarten Mindestlohn scheint. Das wird deutlich, wenn wir uns die Dynamik der Lohnverhandlungen ansehen.

Nehmen wir an, daß die staatlichen Verhandlungen einem Schlosser einen Mindestlohn von £ 5 pro Woche garantieren und daß in einer ganzen Reihe von Fabriken die Lohnabweichung £ 1 pro Woche beträgt. In der nächsten Runde der staatlichen Verhandlungen würde der Druck auf alle Fabriken ausgeübt werden, den Mindestlohn auf £ 6 pro Woche zu erhöhen; und wieder würden die besser organisierten Arbeiter eine weitere Lohnabweichung durchsetzen, und so weiter und so weiter. Auf diese Weise würde der am meisten fortgeschrittene Teil der Maschinenbauarbeiter nicht nur die augenblickliche Lohnabweichung beeinflussen, sondern auch den staatlichen Tarif! Nicht nur die Decke sondern auch der Fußboden würden angehoben werden. [5]

In Industriezweigen mit nur einer Verhandlungsebene, wie bei der Eisenbahn, werden die Löhne durch Lohnabweichung in anderen Industrien beeinflußt. Die Beschäftigten bei der Eisenbahn fordern Löhne, die mit dem Löhnen der Arbeiter in anderen Industriezweigen vergleichbar sind, wo eine Lohnabweichung stattgefunden hat. Kein Lokomotivführer würde einen Lohn akzeptieren, der dem staatlich vereinbartem Mindestlohn für einen Schlosser, d.h. £ 11 pro Woche, entspricht. Was er wünschen und bekommen würde, wäre der Lohn, der dem tatsächlichen Lohn des Schlossers entspricht, der sich aus dem staatlich vereinbarten Tarif und den Lohnabweichungen zusammensetzt.

In einigen Fällen wirkte sich diese Zusammensetzung in entgegengesetzter Richtung aus. Staatlichen Lohnerhöhungen folgte ein Lohnzuwachs bei den verschiedenen Gruppen, so daß andere Arbeitergruppen versuchen werden, den prozentualen Unterschied zwischen sich selbst und denjenigen, die die Lohnerhöhungen durch staatliche Verhandlungen erhielten, wiederherzustellen.

 

 

Soziale Gerechtigkeit: Wird eine Einkommenspolitik den schlecht bezahlten Arbeitern helfen?

George Brown und andere haben angeführt, daß wenn die Arbeiter, die in einer besseren Situation sind, nur auf einen Heil ihrer Lohnerhöhungen verzichten, dies den schlechter bezahlten Arbeitern helfen würde. Mit anderen Worten, der Lohn? den die besser- gestellten Arbeiter aufgeben, indem sie ihre Lohnforderungen zurückstellen, wird stattdessen dem ärmeren Teil der Arbeiterklasse gegeben, Diese Vorstellung wird von vielen Arbeitern übernommen, die meinen, daß die Einkommenspolitik im Prinzip gut ist. Aber in der Tat beruht diese ganze Idee auf einem Mißverständnis.

Wenn zum Beispiel die BMC Arbeiter ihre Forderungen für £ 1 Lohnerhöhung pro Woche aufgäben, würde dann die Leitung von BMC das angesammelte Geld, das sie dadurch gespart haben, sagen wir, den Krankenschwestern übertragen? Wir brauchen nur die Frage zu stellen, um die Antwort zu kennen. In der Tat ist die Art, wie Löhne im Kapitalismus gewonnen werden, sehr einfach: Arbeiter in den stärksten Abteilungen, in den technologisch fortgeschrittenen Industrien, wo sie am besten organisiert sind, erzielen Lohnerhöhungen; und fordert der Rest der Arbeiterklasse das gleiche, indem er einfach seine eigenen Löhne mit denen der bestbezahltesten und stärksten Arbeiter vergleicht.

Dies erweist sich immer wieder als wahr. Nehmen wir als Beispiel den Fall der Arbeitnehmer in der Elektrizitätsindustrie. Im Mai 1965 hingen die Gehaltsforderungen für die 50.000 „Stehkragenproletarier“ in der Elektrizitätsversorgungsindustnie von den verbesserten Löhnen und Bedingungen, die kürzlich von den Arbeitern in der Industrie gewonnen worden waren, ab. Das bestehende 3-Jahres-Abkommen, das im Januar 1964 unterzeichnet worden war, sah eine Gehaltserhöhung der Stehkragenproletarier von 3 bis 3½% vor. Aber da die Handarbeiten mehr bekamen als Gegenleistung für bestimmte Produktivitätskonzessionen) beharrten die Stehkragenproletarier auf ihrem Antrag und drohten mit einem Streik am 22. Juni. Der Fall wurde dem Ausschuß für Preise und Einkommen übertragen, der erklärte, daß die Forderungen der Stehkragenproletarier nicht gerechtfertigt seien; sie stünden erklärte der Ausschuß im Widerspruch zu den Vereinbarungen, besonders da die Stehkragenproletarier keine Produktivitätskonzessionen machten.

Wir folgern daraus, daß eine Revision des 3-Jahres-Abkommens für die Verwaltungs- und Büroangestellten nicht gerechtfertigt wäre gemäß den Kriterien, die in dem White Paper festgelegt sind, und eine außergewöhnliche Gehaltserhöhung möglich machen, wir folgern außerdem, daß die Zugeständnisse für einen niederen Grad, dem die Arbeiter zugestimmt haben, obwohl sie noch nicht in Kraft getreten sind, über alles hinausgehen, was durch die Richtlinien des White Paper gewährleistet würde. [6]

Der Druck der Stehkragenproletarier war jedoch zu groß, und der Ausschuß kam zu der Schlußfolgerung, daß ihnen Unruhe-Geld gezahlt werden sollte.

Das Grundproblem, mit dem wir zu ringen haben, ist, daß in ein und demselben Industriezweig größere Veränderungen in der Produktionsweise von einigen Angestelltenschichten gesichert wurden, und daß diese Änderungen durch beträchtliche zusätzliche Zahlungen ausgeglichen werden mußten, während der Lohn der Arbeiter, von denen keine größeren Änderungen gefordert werden, unverändert bleibt. Als Folge hat sich eine Unruhe ausgebreitet, die, wie es der leistungsfähige Ablauf dieser Industrie erfordert, abgebaut werden sollte. [7]

Das Resultat war eine Gehaltserhöhung von 8% – als „Unruhe“geld. hobald dies bewilligt war, begannen auch die Büroangestellten in der Gasindustrie sich „unruhig“ zu fühlen ...

Oder es gibt noch den Fall der niedrigstbezahlten Arbeiter, deren Löhne bei den Lohnausschüssen festgesetzt werden. Dies sind ungefähr 3½ Millionen: Landarbeiter, Arbeiter in Wäschereien, in der Milchverteilung, in Schneidereien, Bäckereien und vielen Branchen des Einzelhandels. Wird eine Zurückhaltung der Lohnforderungen der gut organisierten Arbeiter diesen Arbeitern, die zum größten weil nicht organisiert sind, helfen oder sie ermutigen, sich den Gewerkschaften anzuschließen und so diese und deren Kampf für bessere Arbeitsbedingungen zu unterstützen? Natürlich nicht.

Alle historischen Erfahrungen zeigen, daß mit einem allgemeinem Anwachsen der Löhne, einen Anwachsen, das eng verbunden war mit den Kämpfen der besser organisierten Teile der Arbeiterklasse, die Unterschiede innerhalb der Arbeiterklasse nicht vergrößert sondern im Gegenteil beträchtlich vermindert wurden.

... der Unterschied zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern beispielsweise, der vor 1914 lange weit um 50% lag, ist jetzt auf 20% oder 15% verkleinert. [8]

(Mit anderen Worten, der Lohn des ungelernten Arbeiters ist von 50% auf 80 bis 85% des Lohnes eines gelernten Arbeiters gestiegen.)

In der Tat, alles, was den Lebensstandard der Arbeiter hebt, der gelernten wie ungelernten gleichermaßen, vermindert die Unterschiede zwischen ihnen. Aus diesem Grunde sind die Unterschiede in den unterentwickelten Ländern, wo die Arbeiter weniger Rechte haben und viel mehr unterdrückt und ausgebeutet werden, viel größer als in den fortschrittlich industrialisierten Ländern. Das zeigt deutlich die folgende Tafel, die die Löhne der gelernten und der ungelernten Arbeiter zwischen den beiden Weltkriegen in Großbritannien, einem wirtschaftlich fortgeschritteäen Land und Rumänien, einem zurückgebliebenen Land, vergleicht:

Löhne der Facharbeiter als Prozentsatz der Löhne der ungelernten Arbeiter [9]

Modellmacher

Schlosser
& Dreher

Eisengießer

Klempner

Elektriker

Tischler

Großbritannien

131

127

130

147

152

147

Rumänien

200

210

252

300

182

223

Oder ein anderes Beispiel:

Die Tarife der Facharbeiter in den westlichen Industriewir schaften liegen 15 bis 40% über denen der ungelernten Arbeiter. In Afrika und Lateinamerika scheint der Unterschied zwischen 50 und 150% zu liegen, selbst wenn keine rassistischen Faktoren dabei eine Folie spielen. Das durchschnittliche Gehalt eines Nicht-Handarbeiters war dreimal so groß wie das Durchschnittsgehalt eines Handarbeiters der ägyptischen Industrie, während das Verhältnis in Großbritannien ungefähr 2:1 betrug. [10]

Aubrey Jones versetzt dem Mythos, daß die Einkommenspolitik als Engel der sozialen Gerechtigkeit den niedrig entlohnten Arbeitern hilft, den letzten Schlag, als er jede Lohnerhöhung für die Eisenbahnarbeiter im Januar 1966 verweigerte. In seinem Bericht wurden die Löhne pro Normalwoche (ohne Überstunden) wie folgt angegeben: Gepäckträger £ 10 18s; Gepäckraumaufsichtsbeamter £ 12 5s; Aufsicht im zweiten Jahr £ 12 19s; qualifizierter Heizer £ 14 8s; qualifizierter Zugführer £ 16 19s. [11] Es wurde jedoch kein Vorschlag gemacht, daß dem erbärmlich unterbezahlten Arbeitern mehr Lohn gezahlt werden sollte.

Es ist in der Tat das Beste, sich die verschiedenen Teile der Arbeiterklasse auf verschiedenen Lohn-Rolltreppen vorzustellen; die Geschwindigkeit, mit der sich eine Rolltreppe bewegt, beeinflußt die Geschwindigkeit aller anderen. Wenn die eine schneller rollt, beschleunigen sich auch die anderen; wenn die eine zurückgehalten wird, werden es auch die anderen. Mit anderen Worten, wenn die stärksten und bestorganisierten Arbeiter sich zurückhalten, wird die gesamte Arbeiterklasse mit ihnen zurückgehalten werden.

 

 

Auswirkungen der staatlichen Verhandlungen auf die allgemeine Lohnebene

Wir wollen natürlich nicht sagen, daß nur „Lohnabweichungen“ die Höhe der Verdienste der Arbeiter bestimmen, und daß staatliche Verhandlungen nur geringe Bedeutung haben. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Örtliche und staatliche Verhandlungen sind die beiden Beine, auf denen die Arbeiter gehen; und ein Mann mit nur einem Bein läuft kaum schneller oder sicherer als ein Mann mit zweien. Staatliche Verhandlungen bestimmen die Grundlage für die Löhne.

Aber diese Grundlage hat die Eigenschaft, daß, wenn die Mindestlöhne angehoben werden, sich auch die Spitzenlöhne erhöhen. Eine Erhöhung der Lohntarife, die durch staatliche Verhandlungen erreicht wurde, wird praktisch in jedem Fall die Höhe der Verdienste in einem ganzen Industriezweig heben, obwohl jedoch diese Verdienste schon über den Tariflöhnen liegen. Die staatlichen Lohnverhandlungen sind, obwohl sie sich so sehr mit der Festlegung von „Unmöglichkeiten“ befaßt, ein mächtiges Instrument, das gesamte Lohngebäude zu heben. [12]

Und zwei andere Experten folgern:

Es scheint klar zu sein, daß eine auf Lohntarife gerichtete Einkommenspolitik einen beträchtlichen Einfluß auf Lohnverdienste haben würde. [13]

Daher wird eine Einkommenspolitik danach streben müssen, die Gewerkschaften auf staatliche Verhandlungen und die Shop Stewards auf Betriebsverhandlungen zu beschränken.

 

 

Basisübereinkommen

Der Druck der staatlichen Verhandlungen auf Lohntarife ist in gewissen Augenblicken von besonderer Bedeutung. In jedem Jahr hängt die Höhe der staatlichen Übereinkommen – und daher auch der lokalen Übereinkommen – in großem Maße von dem Erfolg oder Mißerfolg von einigen Grundlohnforderungen ab. Es muß erkannt werden, daß bestimmte Übereinkommen in jedem Jahr andere Übereinkommen (innerhalb bestimmter Grenzen) veranlassen; diese Basisübereinkommen bestimmen einen Trend, dem andere Unternehmer sich gewöhnlich anschließen, da Arbeiter, die von Lohnerhöhungen, die andere Arbeiter bekommen, ausgeschlossen sind dazu neigen, radikaler zu werden (oder „unruhiger“ wie Aubrey Jones sich ausdrückte). manchmal kann dies zum Vorteil der Gewerkschaften sein, aber manchmal ist es sicherlich nicht so:

Die geringe durchschnittliche Höhe der aufeinanderfolgenden Lohnerhöhungen im Jahre 1958 und 1959 scheint in großem Umfange von dem psychologischen Klima abzuhängen, das durch das Mißlingen des Busstreiks hervorgerufen wurde. Es ist wahr, daß während des ganzen Jahres 1958 die Arbeitslosigkeit anstieg, und dies, so mag angenommen worden sein, die Lohnforderungen auf jeden Fall mäßigen würde, andererseits stiegen die Einzelhandelspreise sehr schnell während des Jahres 1957 und der ersten Hälfte des Jahres 1958 und dies würde, mag man erwartet haben, die Gewerkschaften radikaler gemacht haben in ihren Versuchen, den tatsächlichen Wert der Löhne wiederherzustellen.

Es scheint gerechtfertigt daraus zu schließen, daß es möglich sein wird, die Höhe der „Basisübereinkommen“ und somit der darauffolgenden Lohnrunde zu beeinflussen. [14]

Auch die Ereignisse des Jahres 1958 machen deutlich, wie dieser „Einfluß“ ausgeübt wird – durch ein vorsätzliches Bestreben der Regierung, einen Streik zu vereiteln. Und wenn die Lohnforderung der Busleute im Jahre 1958 ein Basisübereinkommen war, so scheint die kürzliche Entscheidung der Regierung bei den Eisenbahnleuten (im Februar 1966) dazu vorgesehen gewesen zu sein, genau die gleiche Rolle zu spielen.

Wie The Economist schrieb:

Der einzige Weg, 1966 eine Einkommenspolitik zu erreichen, scheint dahin zu gehen, sich den Gewerkschaften in einigen großen nationalen Lohnkämpfen entgegenzustellen, genauso wie Mr. Amory und Mr. Macleed eine 18-monatige effektive Einkommenspolitik in den Jahren 1958-1959 dadurch erreichten, daß sie sich dem Busstreik von Mr. Cousins im Mai 1958 entgegenstellten. [15]

Und in ähnlicher Weise stand es in .einer Ausgabe der Financial Times unter dem Titel Lohnpolitik auf Probe:

Bei den Eisenbahnarbeitern, den Elektrizitätsarbeitern und den Dockarbeitern wird die Regierung gezwungen sein, ein Exempel zu statuieren. [16]

Da jedoch die zweite Basis der Macht der Arbeiter in der Fabrikorganisation liegt, werden wir uns nun der Bedeutung der Rolle der Shop Stewards zuwenden und der Frage, wie die Regierung, die Unternehmer und die Gewerkschaftsbosse versuchen werden, mit ihnen durch Einführung der Einkommenspolitik fertig zu werden.

 

 

Anmerkungen

1. Auch hier kommt noch ein, geringe Lohnabweichung vor, die daraus resultiert, daß die Akkordlöhne da festgesetzt werden, wo sie angewandt werden und daß die Arbeiter großzügiger eingestuft werden, usw.

2. Ministry of Labour, Statistics of Incomes, Prices and Employment. Dezember 1964, Tafel B 12

3. L.A. Dicks-Mireaux u. J.R. Shepherd, The Wage Structure und Some Implications for Incomes Policy, in Economic Review, November 1962, S.42

4. a.a.O.

5. Daß Lohnabweichungen Lohntarife hochdrücken können, verdeutlicht die folgende Tafel:

Lohntarife und Verdienste Oktober 1958 bis Oktober 1963
Prozentuale Veränderung im Vergleich zum Vorjahr

(1)*

(2)*

(3)*

Oktober 1958

+ 3,1

+ 3,7

– 0,6

Oktober 1959

+ 2,7

+ 1,3

+ 1,4

Oktober 1960

+ 7,6

+ 5,5

+ 2,1

Oktober 1961

+ 6,9

+ 6,4

+ 0,5

Oktober 1962

+ 4,4

+ 4,1

+ 0,3

Oktober 1963

+ 3,6

+ 2,3

+ 1,3

(HM Treasury, Economic Report 1963, März 1964. S.15)

(1)* Durchschnittlicher Stundenverdienst, ohne Überstunden
(2)* Durchschnittlicher Stundentarif.
(3)* „Lohnabweichung“ – Spalte (1) minus (2)

Während die Erhöhung der Stundenlohntarife ihre Spitze im Jahre 1959 und 1963 erreichte, erreichte der Anstieg der Wochenverdienste seinen Höhepunkt 1960 und seinen niedrigsten Punkt in den Jahren 1959 und 1962. So erscheinen Veränderungen in den Wochenverdiensten und in den Lohnabweichung normalerweise ein Jahr früher, als Veränderungen der Tarifs. Die Abweichung beschleunigt daher, obwohl sie kleiner als die Erhöhung der Grundtarife ist, die Erhöhung der Grundtarife. Der gleiche Kausalzusammenhang zwischen Lohntarif und Lohnabweichung wurde bei einer Auswahl von 45 Firmen der Maschinenbauindustrie vorgefunden. Dazu: Shirley W. Lerner u. Judith Marquand Workshop Bargaining: Wage Drift and Productivity in the British Engineering Industry, Manchester School of Economic and Social Studies, Januar 1962

6. National Board for Prices und Incomes. Remuneration of Administrative and Clerical Staff in the Electricity Supply Industry, Cmnd 2801, Oktober 1965. S.14

7. a.a.O.

[8. K.G.J.C. Knowles, Wages and Productivity, in G.D.N. Worswick u. P.H. Ady (Hrsg.), The British Economy in the 1950s, London 1962

9. Colin Clarke, The Conditions of Economic Progress, London 1950, S.460

10. H.A. Turner, Wage Policy and Economic Development, Manchester Statistical Society, 1962, S. 9-12; s. auch Tony Cliff, The Economic roots of Reformism, A Socialist Review, London, S.48-58

11. National Board for Prices and Incomes, Pay and Conditions of Service of British Railways Staff, Cmnd 2873, Januar 1966, S.32-33

12. K.G.J.C. Knowles, a.a.O., S.524-5

13. J.A. Dicks-Mireaux u. J.R. Shepherd, a.a.O., S.38

14. Michael Stewart u. Rex Winsbury, An Incomes Policy for Labour, Fabian Tract 350, October 1963, S.23.

15. The Economist, 15. Januar 1966

16. The Financial Times, 10. Januar 1966] [1*]

 

Anmerkung von REDS – Die Roten

1*. Diese Anmerkungen – 8 bis 16 – fehlen in der deutschen Ausgabe, die als Grundlage für diese Veröffentlichung dient. Wir haben sie von der 2. englischen Ausgabe kopiert.

 


Zuletzt aktualisiert am 8.7.2001